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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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langsam gefährlich. Sven aber wollte beweisen, dass er sich vor nichts fürchtete. Er ahnte nicht, dass Rorik und ich im Dickicht auf der Lauer lagen, und wenn er es gewusst hätte, wäre es ihm wahrscheinlich einerlei gewesen.
    Er hatte sein Schwert neben der Feuerstelle fallen lassen, stellte sich jetzt vor Thyra und ließ die Hose herunter. «Fass ihn an», verlangte er von ihr.
    Einer seiner Gefährten sagte etwas, das ich aber nicht hören konnte.
    «Sie wird's niemandem verraten», sagte Sven zuversichtlich. «Außerdem tun wir ihr ja nicht weh.» Er richtete den Blick zurück auf Roriks Schwester. «Na los, fass ihn an. Dann tu ich dir auch nichts.»
    In diesem Moment kam ich aus der Deckung. Nicht, dass ich besonders tapfer gewesen wäre. Svens Freunde hatten die Lust an diesem Spiel verloren, Svens heruntergelassene Hose hing wie eine Fessel um seine Fußgelenke, und das Schwert lag außerhalb seiner Reichweite. Ich schnappte es mir und rannte auf ihn zu. Sven fuhr herum und schaffte es irgendwie, auf den Beinen zu bleiben. «Ich fass ihn an», brüllte ich, schwang das Schwert und zielte auf seinen Schwanz. Doch es war zu schwer, und ich hatte noch nie ein Männerschwert geführt. Statt die Stelle zu treffen, auf die ich es abgesehen hatte, schnitt die Klinge ins Fleisch seines nackten Oberschenkels. Mit aller Kraft holte ich ein zweites Mal gegen seine Hüfte aus, wo seine Kleidung die meiste Wucht des Schlages auffing. Sven fiel schreiend zu Boden, und seine beiden Freunde zerrten mich von ihm weg, während Rorik seine Schwester befreite.
    Mehr war nicht passiert. Sven blutete, konnte aber seine Hose allein anziehen und, von den Freunden gestützt, nach Hause humpeln. Rorik und ich brachten Thyra zum Hof zurück. Als Ravn Thyras Schluchzen und unsere aufgebrachten Stimmen hörte, brachte er uns zum Schweigen. «Uhtred», sagte der Alte streng, «du wartest im Schweinestall. Rorik, du erzählst mir, was passiert ist.»
    Ich wartete, während Rorik dem Alten berichtete. Dann schickte ihn Ravn weg und befahl mich ins Haus, um zu berichten, was geschehen war. Thyra saß auf dem Schoß ihrer Mutter, die ebenso außer sich war wie die Großmutter. Als ich alles erzählt hatte, sagte Ravn: «Die gleiche Geschichte habe ich von Rorik gehört.»
    «Weil sie wahr ist», erwiderte ich.
    «So scheint es zumindest.»
    «Er hat sie vergewaltigt», zürnte Sigrid.
    «Nein», entgegnete Ravn mit Bestimmtheit. «Dank Uhtred ist es dazu nicht gekommen.»
    Das war die Geschichte, die Ragnar hörte, als er von der Jagd zurückkehrte, und da sie mich zum Helden machte, hielt ich einen Teil der Wahrheit zurück, dass es nämlich Sven niemals gewagt hätte, Thyra zu vergewaltigen. In seiner Dummheit kannte er kaum Grenzen, aber einige wenige galten auch für ihn, und so dumm, die Tochter des Grafen Ragnar, des Kriegsherrn seines Vaters, zu vergewaltigen, war sogar er nicht. Trotzdem hatte er sich einen Feind gemacht. Am nächsten Tag führte Ragnar sechs Männer zu Kjartans Haus ins benachbarte Tal. Rorik und ich mussten mitreiten , und ich gestehe, dass ich Angst hatte. Ich fühlte mich verantwortlich, weil ich mit den Spielen im Wald angefangen hatte. Aber Ragnar sah die Sache anders. «Nicht du hast mich beleidigt, sondern Sven», sagte er finster. Von der Heiterkeit, die er sonst ausstrahlte, war nichts geblieben. «Du hast dich richtig verhalten, Uhtred. Wie ein echter Däne.» Er hätte mir kein größeres Lob erteilen können, und ich spürte seine Enttäuschung darüber, dass ich und nicht Rorik Sven angegriffen hatte. Aber als der Altere und Stärkere von uns beiden hatte ich den Kampf aufnehmen müssen.
    Als wir durch den kalten Wald ritten, fiel mir auf, dass zwei von Ragnars Männern lange Haselruten dabeihatten. Als Lanzen taugten sie nicht, dazu waren sie zu dünn. Zu fragen, wozu sie dienen sollten, wagte ich vor Nervosität nicht.
    Kjartans Hof lag in einer Senke an einem Bach, der die Weiden bewässerte, auf denen seine Schafe, Ziegen und Rinder grasten. Auch Kjartan hatte das meiste Vieh geschlachtet. Die wenigen übrig gebliebenen Tiere rupften nun das letzte Grün des Jahres. Es war ein sonniger, aber kalter Tag. Hunde schlugen an, als wir uns näherten. Kjartan und seine Knechte scheuchten sie zurück in den Hof vorm Haus, wo er eine Esche gepflanzt hatte, die allerdings nicht so aussah, als ob sie den kommenden Winter überstehen würde. Von vier Männern begleitet, kam uns Kjartan entgegen. Im

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