Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
als Ragnar auf mich zukam.
    «Du gehörst mir», flüsterte er mir zu. «Ich habe dich gerade gekauft.»
    «Mich gekauft?»
    «Für das Gewicht meines Schwertes in Silber.» «Warum?»
    «Vielleicht, weil ich dich Odin opfern will?», schlug er vor und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. «Wir haben dich gern und wollen dich behalten», sagte er. «Und außerdem hat dein Onkel zu wenig geboten. Für fünfhundert Silberstücke hätte ich dich verkauft.» Er lachte.
    Beocca eilte herbei. «Wie geht es dir?», fragte er mich.
    «Gut», antwortete ich.
    «Was trägst du da um den Hals?» Er deutete auf Thors Hammer und griff nach dem Amulett, als wolle er es von der Kette reißen.
    «Wenn er den Jungen auch nur anrühren sollte», fuhr Ragnar harsch dazwischen, «werde ich ihm die scheelen Augen richten, bevor ich seinen Memmenbauch bis hinauf zum dünnen Hals aufschlitze.»
    Beocca verstand natürlich nicht, was der Däne sagte, doch der Tonfall war unmissverständlich, und so zuckte seine Hand zurück. Sichtlich nervös senkte er die Stimme, sodass nur ich ihn hören konnte. «Dein Onkel wird dich töten», flüsterte er.
    «Mich töten?»
    «Er will Aldermann sein. Deshalb wollte er dich auslösen. Damit er dich umbringen kann.»
    «Aber ...», hob ich zu protestieren an.
    «Psst», unterbrach mich Beocca. Er betrachtete neugierig meine blauen Hände, fragte aber nicht nach einer Erklärung. Stattdessen sagte er: «Du bist der Aldermann, und ich weiß, wir werden uns eines Tages wiedersehen.» Er lächelte, warf dann Ragnar einen ängstlichen Blick zu und wich zurück.
    A fric zog ab. Später erfuhr ich, dass ihm freies Geleit zugesichert worden war und dass man dieses Versprechen gehalten hatte. Er kehrte zur Bebbanburg zurück und richtete sich dort ein. Angeblich stand er treu zu Egbert, was bedeutete, dass er die Herrschaft der Dänen anerkannte, doch diese trauten ihm nicht. Darum, so erklärte mir Ragnar, habe er mich am Leben gelassen. «Die Bebbanburg gefällt mir», sagte er. «Ich will sie haben.»
    «Sie gehört mir», widersprach ich trotzig.
    «Und du gehörst mir», entgegnete er, «und damit gehört mir auch Bebbanburg. Ich habe dich gekauft, Uhtred, ich kann mit dir machen, was ich will. Ich könnte dich kochen, wenn mir danach wäre, aber von dir, du dünner Hering, würde nicht einmal ein Wiesel satt werden. So, jetzt zieh dieses Hurenkleid aus. Gib mir die Schuhe und den Helm und geh zurück an die Arbeit.»
    Ich war also wieder ein Sklave. Und glücklich. Wenn ich anderen meine Geschichte erzähle, werde ich häufig gefragt, warum ich nicht vor den Heiden nach Süden geflohen sei, in Länder, in denen die Dänen nicht herrschten. Doch das kam mir nie in den Sinn. Ich war glücklich, ich lebte und ich war mit Ragnar zusammen, das reichte mir.
    Bevor es Winter wurde, trafen weitere Dänen ein. Sechsunddreißig Schiffe kamen, jedes voll besetzt mit Kriegern. Die Schiffe wurden ans Ufer gezogen, um im Winter auf dem Trockenen zu liegen. Die Mannschaften, gewappnet mit Schilden und Waffen, marschierten an die ihnen zugewiesenen Orte, wo sie die nächsten Monate verbringen sollten. Die Dänen warfen über den ganzen Osten Northumbriens ein Netz, kein besonders engmaschiges, aber eben doch ein Netz vereinzelter Stützpunkte. Obwohl durchaus wehrhaft, konnten sie jedoch nur bleiben, weil wir es zuließen, denn jene Aldermänner und Thegn, die im Kampf um Eoferwic nicht gefallen waren, beugten jetzt das Knie, und wir verstanden uns nunmehr als Teil des dänischen Königreiches - ungeachtet des geknebelten Egberts auf seinem jämmerlichen Thron. Nur die wilderen Gebiete im Westen blieben frei, dort aber gab es keine starken Streitkräfte, um die Dänen herauszufordern.
    Ragnar besetzte das Hügelland westlich von Eoferwic. Seine Frau und seine Familie zogen bald zu ihm, auch Ravn und Gudrun sowie alle drei Schiffsmannschaften, die einige Höfe in den umliegenden Tälern übernahmen. Unsere erste Aufgabe bestand darin, Ragnars Haus zu vergrößern. Es hatte einem englischen Thegn gehört, der in Eoferwic gefallen war. Ein eher bescheidenes Holzhaus, gedeckt mit Roggenstroh und Farnkraut und so dicht mit Gras bewachsen, dass das Haus von weitem wie ein kleiner Hügel aussah. Wir bauten einen Stall für ein paar Rinder, Schafe und Ziegen, die kräftig genug waren, den Winter zu überstehen und im neuen Jahr Nachwuchs zu bekommen. Die anderen Tiere wurden von Ragnar und seinen Männern geschlachtet. Als aber die

Weitere Kostenlose Bücher