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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Silberband umwickelte Knauf des Herzbrechers zerschmetterte Svens rechtes Auge. Sofort floss das Auge aus, und Ragnar spuckte auf den Jungen, als er das Schwert in die mit Vlies gefütterte Scheide zurücksteckte.
    Sven kauerte wimmernd auf den Knien und presste beide Hände auf das zerstörte Auge.
    «Es ist vorbei», sagte Ragnar zu Kjartan.
    Kjartan zögerte. Er war wütend, beschämt und unglücklich, doch in einem Kräftevergleich mit Ragnar würde er unterliegen, und so nickte er schließlich. «Es ist vorbei.»
    «Und ich entlasse dich aus meinen Diensten», sagte Ragnar kühl.
    Wir ritten nach Hause zurück.
    Der Winter kam. Das Wasser in den Bächen fror zu Eis, Schnee trieb über die Felder und füllte die Senken, und die Welt war kalt, still und weiß. Am Waldrand zeigten sich Wölfe, und die Mittagssonne war so bleich, als hätte der Nordwind all ihre Kraft weggetragen.
    Ragnar belohnte mich mit einem silbernen Armreif, meinem ersten, während Kjartan mitsamt seiner Familie fortgeschickt wurde. Er hatte das Kommando über Ragnars Schiff verloren und durfte nicht mehr auf Ragnars Großzügigkeit rechnen. Er hatte keinen Herren mehr und zog nach Eoferwic, wo er der Garnison der Stadt beitrat. Seine neue Aufgabe hatte kein Ansehen, und jeder ehrgeizige Däne diente sehr viel lieber einem Herrn wie Ragnar, durch den er reich werden konnte. Den Männern aber, die Eoferwic bewachten, war es verwehrt, Beute zu machen. Ihre Aufgabe bestand darin, Ausschau über die flachen Felder vor der Stadt zu halten und sicherzustellen, dass König Egbert keine Schwierigkeiten machte. Ich war erleichtert darüber, dass Sven mir nicht mehr über den Weg laufen konnte, und überaus stolz auf meinen Armreif. Armreife waren für Dänen von großer Bedeutung. Je mehr ein Mann davon besaß, desto höher stand er im Ansehen anderer, denn diese Reife zeugten von Erfolg. Ragnar hatte Reife aus Silber und Gold, Reife mit eingravierten Drachen und solche, die mit funkelnden Steinen besetzt waren. Wenn er sich bewegte, hörte man sie klirren. Sie ließen sich auch als Tauschmittel verwenden, wenn es an Münzen fehlte. Ich erinnere mich an einen Dänen; der einen seiner Armreife abstreifte, mit der Axt in Stücke schlug und einen Teil davon einem Händler auf die Waagschale legte. Das war talabwärts in einer größeren Ortschaft, wo sich viele von Ragnars jüngeren Kriegern niedergelassen hatten und Händler aus Eoferwic ihre Waren verkauften. Die dänischen Ankömmlinge hatten in diesem Tal nur eine kleine englische Siedlung vorgefunden und einen angrenzenden Haselnusshain niedergebrannt, um für ihre neuen Häuser Platz zu schaffen. Darum hatte Ragnar diesen Ort Synningthwait genannt, was so viel heißt wie «Der von Feuer gerodete Ort». Die Ortschaft hatte bestimmt einen englischen Namen, doch der war schon bald vergessen.
    «Wir sind jetzt in England und werden hier bleiben», sagte Ragnar eines Tages, als wir mit neuen Vorräten von Synningthwait zu unserem Hof zurückkehrten. Der Weg war tief verschneit, und unsere Pferde suchten vorsichtig ihre Spur zwischen den hohen Verwehungen, aus denen die schwarzen Zweige der Heckensäume ragten. Ich führte zwei Packpferde, die mit Säcken kostbaren Salzes beladen waren, und löcherte Ragnar wie üblich mit Fragen. Wohin fliegen die Schwalben im Winter? Warum bereiten uns die Elfen Probleme? Und warum wird Ivar der Knochenlose genannt? «Warum wohl? Weil er so dünn ist», antwortete Ragnar. «Weil er so aussieht, als könnte man ihn wie einen Mantel zusammenrollen.»
    «Warum hat Ubba keinen Spitznamen?»
    «Den hat er. Er wird Ubba der Schreckliche genannt.» Er lachte, weil er diesen Spitznamen selbst erfunden hatte, und ich lachte, weil ich mich freute. Ragnar ließ sich gern von mir begleiten. Wegen meiner langen hellen Haare wurde ich manchmal für seinen Sohn gehalten, und das gefiel mir. Rorik hatte nicht mit uns reiten können, weil er an diesem Tag krank war und von den Frauen mit Kräutersud und Zauberformeln versorgt werden musste. «Er ist oft krank», sagte Ragnar. «Ragnar ist da ganz anders.» Er meinte seinen ältesten Sohn, der die Verteidigung von Ivars Ländereien in Irland unterstützte. «Ragnar ist stark wie ein Ochse», fuhr er fort, «er wird nie krank. Er ist wie du, Uhtred.» Lächelnd dachte er an seinen Erstgeborenen, den er vermisste. «Er wird sich Land nehmen und zu Wohlstand kommen. Aber Rorik? Vielleicht sollte ich ihm dieses Land hier geben. Nach

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