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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Dänemark kann er nicht zurück.»
    «Warum nicht?»
    «Dänemark ist kein gutes Land», erklärte Ragnar. «Auf der einen Seite ist es flach und so sandig, dass auf den Ackern nur wenig gedeiht, und auf der anderen Seite jenseits des Wassers finden sich auf den steilen Bergen nur kleine Weideflächen, wo die Leute wie Hunde arbeiten und hungern.»
    «Jenseits des Wassers?», fragte ich, und er erklärte mir, dass das Heimatland der Dänen zweigeteilt und von zahllosen Inseln umgeben sei. Er selbst kam aus dem flachen, sandigen Teil, der andere lag im Osten des großen Sunds und war sehr bergig. «Da leben auch die Svear», sagte er.
    «Svear?»
    «Ein Volksstamm. Wie wir. Sie verehren Thor und Odin, sprechen aber eine andere Sprache.» Er zuckte mit den Achseln. «Wir kommen mit den Svear gut aus, und auch mit den Norwegern.» Die Svear, Norweger und Dänen waren die Nordmänner, oder auch Wikinger genannt, die das Meer berühren und die Länder anderer Völker überfielen. Auch mein Land hatten die Dänen eingenommen, doch darüber sprach ich nicht mit Ragnar. Ich hatte gelernt, meine Seele zu verbergen; vielleicht aber war ich auch nur verwirrt. Northumbrier oder Däne? Wer war ich? Was wollte ich sein?
    «Angenommen», sagte ich, «die Engländer wollen nicht, dass wir bleiben.» Ich sprach bewusst von uns.
    Er lachte darüber. «Was die Engländer wollen oder nicht, ist unerheblich. Du hast ja gesehen, was in Yorvik geschehen ist.» So sprachen die Dänen den Namen Eoferwic aus. «Wer war dort der tapferste englische Krieger?», fragte Ragnar. «Du. Ein Kind! Du hast dein kleines, lächerliches Schwert gegen mich gerichtet und mich zu töten versucht. Ich hätte mich fast totgelacht.» Er beugte sich mir zu und gab mir einen liebevollen Klaps. «Natürlich wollen die
    Engländer nicht, dass wir hier sind», fuhr er fort. «Aber was könnten sie tun? Nächstes Jahr werden wir Mercien einnehmen, dann das Land der Ostangeln und schließlich auch Wessex.»
    «Mein Vater sagte, dass Wessex das stärkste Königreich sei», behauptete ich, denn in Wahrheit hatte mein Vater die Männer von Wessex verabscheut, weil er sie für verweichlicht und frömmlerisch hielt. Doch jetzt wollte ich Ragnar provozieren.
    Ich hatte keinen Erfolg. «Es ist das reichste, aber deshalb noch lange nicht das stärkste Königreich», entgegnete er. «Nicht Gold, sondern Männer machen ein Königreich stark.» Er grinste mir zu. «Wir sind Dänen. Wir verlieren nicht, wir gewinnen, und Wessex wird fallen.»
    «Wirklich?»
    «Es hat einen neuen, schwachen König», sagte er abfällig, «und wenn er stirbt, wird, weil sein Sohn noch ein Kind ist, sein Bruder den Thron besteigen. Das würde uns gefallen.»
    «Warum?»
    «Weil der Bruder genau so ein Schwächling ist. Er heißt Alfred.»
    Alfred. Ich hörte den Namen Alfred von Wessex zum ersten Mal und dachte mir nichts weiter dabei.
    «Alfred», höhnte Ragnar. «Er interessiert sich ausschließlich für geile Mädchen, was mir nur recht sein kann. Lass Sigrid nicht wissen, dass ich das gesagt habe, aber ich finde nichts dabei, auch mit dem männlichsten aller Schwerter zuzustoßen, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, doch Alfred verbringt die eine Hälfte seiner Zeit mit Rammeln, und die andere Hälfte damit, seinen Gott um Vergebung für seine Rammelei anzuflehen. Ich frage mich nur, was ein Gott gegen einen guten Stoß einzuwenden haben könnte.»
    «Woher wisst Ihr all das über Alfred?», fragte ich.
    «Spione, Uhtred, Spione. Die meisten sind Händler. Sie mischen sich in Wessex unters Volk und berichten uns von König A Ethelred und seinem Bruder Alfred. Daher wissen wir auch, dass Alfred ständig krank ist.» Er unterbrach sich, vielleicht weil er an seinen jüngsten Sohn dachte, der auch häufig krank war. «Es ist ein schwaches Geschlecht», fuhr er fort. «Die Westsachsen sollten sich davon befreien und einen echten Mann auf den Thron setzen. Doch das werden sie nicht tun, und wenn Wessex fällt, gibt es kein England mehr.»
    «Vielleicht finden sie ja noch einen starken König», gab ich zu bedenken.
    «Nein», entgegnete Ragnar mit Bestimmtheit. «Dänemark wird von starken Königen geführt, und wenn deren Söhne schwach sind, besteigt der Sohn einer anderen Familie den Thron. In England hält man dagegen an der Erbfolge fest, und so kann ein schwacher Wicht wie Alfred König werden.»
    «Habt Ihr einen König in Dänemark?»
    «Mehr als einen. Auch ich könnte mich König nennen.

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