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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Unterschied zu ihnen waren Ragnars sechs Männer mit Schilden, Schwertern, Streitäxten und glänzenden Kettenhemden gewappnet. Ragnar trug den Helm meines Vaters, den er nach dem Kampf um Eoferwic erstanden hatte. Es war ein prächtiger Helm, an Stirn und Visier mit Silberplatten geschmückt, und ich fand, dass er Ragnar besser stand als meinem Vater.
    Kjartan, der Schiffsmeister, war ein großer Mann, größer als Ragnar. Er hatte ein breites, flaches Gesicht wie sein Sohn, kleine, argwöhnische Augen und einen gewaltigen Bart. Er sah die Haselruten und schien ihre Bestimmung sofort zu erkennen, denn er griff unwillkürlich nach seinem Glücksbringer, dem kleinen Hammer, der an einer silbernen Halskette hing. Ragnar zügelte sein Pferd und warf mit verächtlicher Geste das Schwert zu Boden, das ich von Sven erbeutet und mit nach Hause gebracht hatte. Dem Recht nach war Ragnar nun Besitzer dieses Schwertes, einer kostbaren Waffe, deren Heft mit Silberdraht umwickelt war. Doch er schleuderte sie Kjartan vor die Füße, als handele es sich um ein gewöhnliches Heumesser. «Das hat dein Sohn auf meinem Grund und Boden zurückgelassen», sagte er, «und ich würde gern ein paar Worte mit ihm wechseln.»
    «Mein Sohn ist ein guter Junge», entgegnete Kjartan stolz. «Er wird bald auf Euren Schiffen dienen und in Eurem Schildwall kämpfen.»
    «Er hat mich beleidigt.»
    «Nicht absichtlich, mein Herr.»
    «Er hat mich beleidigt», wiederholte Ragnar schroff. «Er hat sich an der Nacktheit meiner Tochter ergötzt und ihr sein Geschlecht gezeigt.»
    «Wofür er bestraft wurde», sagte Kjartan und warf mir einen bösen Blick zu. «Es ist Blut geflossen.»
    Auf einen Wink Ragnars wurden die Haselruten zu Boden geworfen. Diese Geste war offenbar Ragnars Antwort, die für mich keinen Sinn ergab. Doch Kjartan verstand sofort und auch Rorik, denn er rückte nah an mich heran und flüsterte mir zu: «Jetzt muss er für Sven kämpfen.»
    «Für ihn kämpfen?»
    «Mit den Ruten wird ein Viereck auf dem Boden markiert. Darin findet der Kampf statt.»
    Doch niemand begann damit, die Ruten auszulegen. Stattdessen ging Kjartan zum Haus und rief nach Sven, der gleich darauf unter dem niedrigen Türsturz erschien, den rechten Oberschenkel bandagiert. Er wirkte zerknirscht und eingeschüchtert angesichts des Grafen und seiner waffenstarrenden Kämpfer, was nicht verwundern konnte.
    «Sag, was du zu sagen hast», forderte Kjartan seinen Sohn auf.
    Sven blickte zu Ragnar auf. «Es tut mir Leid», murmelte er.
    «Ich kann dich nicht hören», blaffte Ragnar ihn an. «Es tut mir Leid», wiederholte Sven, vor Angst zitternd.
    «Was tut dir Leid?», verlangte Ragnar zu wissen. «Was ich getan habe.» «Und was hast du getan?»
    Sven fand keine Antwort, zumindest keine, die er vorzutragen wagte; stattdessen trat er unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und stierte vor sich hin. Uber das ferne Moor zogen Wolkenschatten, und zwei Raben flogen über das Tal.
    «Du hast meiner Tochter Gewalt angetan», sagte Ragnar. «Du hast sie an einen Baum gebunden und nackt ausgezogen.»
    «Halb nackt», flüsterte Sven und handelte sich einen heftigen Kopfstoß von seinem Vater ein.
    «Es war ein Spiel», versuchte Kjartan zu beschwichtigen. «Nichts weiter.»
    «Mit meiner Tochter spielt kein Junge solche Spiele», entgegnete Ragnar. Ich hatte ihn selten wütend gesehen, doch jetzt war er wütend, grimmig und hart, ohne jede Spur von jener Großherzigkeit, die ihn überall so beliebt machte. Er stieg vom Pferd, zog sein Schwert, seine Kampfwaffe namens Herzbrecher, und zielte mit der Spitze auf Kjartan. «Willst du mir mein Recht streitig machen?»
    «Nein, Herr», antwortete Kjartan. «Aber er ist ein guter Junge, ein starker Arbeiter, der Euch bestens dienen wird.»
    «Er hat Dinge gesehen, die er nicht sehen sollte», sagte Ragnar und warf den Herzbrecher hoch in die Luft, wo sich die Klinge blitzend überschlug, bevor Ragnar sie am
    Heft wieder auffing. Nur hielt er die Waffe jetzt nicht wie ein Schwert, sondern wie einen Dolch. «Uhtred!», rief er, und ich machte einen Satz. «Er sagt, sie sei nur halb nackt gewesen. Stimmt das?» «Ja, mein Herr.»
    «In dem Fall ist nur die halbe Strafe fällig», sagte er und schlug Sven mit dem Knauf des Schwertes ins Gesicht. Die Knäufe unserer Schwerter sind sehr schwer und manchmal kostbar verziert. Aber so prächtig sie auch aussehen mögen - sie sind und bleiben harte Metallbrocken. Der mit einem

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