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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Leute versammelten sich in Synningthwait, wo etliche Wettbewerbe veranstaltet wurden. Pferderennen, Ringkämpfe, Weitwurf mit Lanzen, Äxten oder Feldsteinen und nicht zuletzt Tauziehen, was mir besonders gut gefiel. Ein dickes Seil wurde über einen Bach geworfen, und man versuchte, die gegnerische Mannschaft ins kalte Wasser zu zerren. Ich bemerkte, dass mich Weland beim Ringkampf mit einem Jungen beobachtete, der ein Jahr älter als ich war. Weland hatte sich bereits verbessern können. Statt der Lumpen trug er einen Fuchspelzmantel. Ich war an diesem Abend zum ersten Mal in meinem Leben betrunken und so hilflos, dass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Mein Schädel dröhnte, und ich lag wimmernd am Boden, doch Ragnar lachte nur und flößte mir noch mehr Met ein, bis ich mich übergab. Ragnar war natürlich der Sieger des Besäufnisses, und Ravn trug ein langes Gedicht vor, das von einem Helden der Vorzeit handelte, der ein Monstrum getötet hatte, anschließend auch dessen Mutter, die noch fürchterlicher gewesen war als ihr Sohn. Ich war allerdings so betrunken, dass ich kaum etwas davon behalten habe.
    Nach dem Julfest erfuhr ich etwas Neues über die Dänen und ihre Götter. Ragnar hatte angeordnet, auf der Waldlichtung nahe des Hauses eine große Grube auszuheben. Rorik und ich halfen. Wir zerhackten Baumwurzeln und schaufelten uns tief in die Erde. Doch Ragnar war erst zufrieden, als er in der Grube stehen und nicht mehr über den Rand blicken konnte. Ein Brett führte als Rampe steil nach unten auf den Grund.
    Als es dunkel geworden war, gingen Ragnar und alle seine Männer - keine Frauen - hinaus zu der Grube. Wir Jungen trugen Pechfackeln , die unter den Bäumen flackerten und zitternde Lichter in die Dunkelheit warfen. Alle Männer waren so gekleidet und bewaffnet, als wollten sie in den Krieg ziehen.
    Der blinde Ravn stand gegenüber der Rampe an der Grube und sang ein langes Heldengedicht zum Ruhme Odins. Die Worte klangen hart und rhythmisch wie Trommelschläge und schilderten, wie der große Gott aus dem Leichnam des Riesen Ymir die Welt erschaffen und Sonne und Mond an den Himmel geschleudert hatte, und sie priesen Gungnir, seine Lanze, als mächtigste Waffe der Schöpfung, die von Zwergen im tiefsten Innern der Erde geschmiedet worden war. Das Gedicht schien kein Ende nehmen zu wollen, und die am Rand der Grube aufgereihten Männer, die immer wieder einzelne Phrasen wiederholten, schwankten, wie von den Worten angestoßen, hin und her. Ich gestehe, dass ich fast so gelangweilt war wie damals, als ich Beoccas lateinischen Singsang über mich hatte ergehen lassen müssen. Ich starrte in den Wald, beobachtete die flackernden Schatten, fragte mich, was für Wesen da draußen in der Dunkelheit leben mochten, und dachte an die Sceadugengan.
    Ich dachte oft an die Sceadugengan, die Schattenwandler. Ealdwulf, der Hufschmied von Bebbanburg, hatte mir von ihnen erzählt und mir geraten, Beocca diese Geschichten zu verheimlichen, und das tat ich auch. Ealdwulf erzählte, dass früher, bevor Christus nach England gekommen war und noch Odin und die anderen Götter angebetet wurden, alle Menschen von den Schattenwandlern wussten, die lautlos und kaum gesehen umherzogen, geheimnisvolle Nachtwesen, die ihre Gestalt wechselten. Als Bewohner der Schattenwelt waren sie weder tot noch lebendig, mal erschienen sie als Wölfe, mal als Menschen oder als Adler. Ich spähte also ins Dunkel des Waldes und wünschte, einen Sceadugengan zwischen den Bäumen zu entdecken, etwas, das mein Geheimnis wäre und die Dänen erschrecken würde, etwas, das mir Bebbanburg zurückgäbe und so mächtig wäre wie das, was den Dänen zum Sieg verholfen hatte.
    Das war natürlich bloß ein Kindertraum. Wer jung ist und ohnmächtig, träumt gern von mystischer Kraft. Doch erwachsen und stark geworden, verachtet man einfache Leute für denselben Traum. Als Kind jedoch wünschte ich mir sehnlichst die Kräfte der Sceadugengan, und ich weiß noch, wie sehr mich in jener Nacht der Gedanke erregte, an der Macht der Schattenwandler teilhaben zu können. Ein Wiehern lenkte meine Aufmerksamkeit schließlich wieder auf die Grube, und ich sah, dass sich die Männer an der Rampe aufgeteilt hatten. Aus der Dunkelheit tauchte eine seltsame Prozession auf. Da waren ein Hengst, ein Schafsbock, ein Hund, eine Gans, ein Bulle und ein Eber.
    Jedes Tier wurde von einem der Männer Ragnars geführt, und zum Schluss kam ein englischer Gefangener,

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