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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Berrocscire.
    Später erfuhren wir, dass unser Vormarsch im Winter für die Westsachsen alles andere als überraschend gekommen war. Während sich die Dänen auf ihre reisenden Händler als Kundschafter verließen, hatten die Westsachsen durch eigene Kundschafter in Lundene in Erfahrung gebracht, wann und mit wie vielen Kämpfern wir uns in Marsch setzen würden, und ein Heer zusammengestellt, um uns zu trotzen. Außerdem hatten sie im Süden Merciens, wo sich die Herrschaft der Dänen noch nicht hatte festigen können, Unterstützung gesucht, und tatsächlich waren aus dem angrenzenden Berrocscire Verstärkungstruppen angerückt, die von einem Aldermann namens A Ethelwulf angeführt wurden.
    War das mein Onkel? A Ethelwulf hießen nicht wenige, aber wie viele waren Aldermänner in Mercien? Als ich den Namen hörte, überkam mich zugegebenermaßen ein seltsames Gefühl, und ich dachte an meine Mutter, die ich nie gekannt hatte. In meiner Vorstellung war sie eine stets gütige, sanfte und liebevolle Frau, die vom Himmel oder aus dem Asgard, oder wo immer unsere Seelen während der langen Finsternis verweilen mochten, auf mich herabblickte, und ich ahnte, dass sie es mir verübelte, einem Heer anzugehören, das gegen ihren Bruder ins Feld zog. In jener Nacht war ich sehr bedrückt.
    In ähnlicher Stimmung waren auch die Kämpfer unserer Großen Armee, denn mein Onkel, falls dieser A Ethelwulf tatsächlich mein Onkel war, hatte unsere beiden Grafen und ihre Truppe in einen Hinterhalt gelockt. Einundzwanzig Dänen waren dem Anschlag zum Opfer gefallen, acht weitere wurden gefangen genommen. Die Engländer hatten ebenfalls einige Männer verloren, den Kampf aber gewonnen, und ihre zahlenmäßige Überlegenheit schmälerte ihren Triumph nicht. Die Dänen hatten einen Sieg erwartet, doch stattdessen waren sie ohne die dringend benötigten Nahrungsmittel in die Flucht geschlagen worden. Solchermaßen gedemütigt worden zu sein, erschütterte die gesamte Armee, die sich nicht einmal hatte vorstellen können, von Engländern geschlagen zu werden.
    Wir hungerten noch nicht, aber das Heu für die Pferde wurde knapp, und wir waren gezwungen, Wintergras zu schneiden, wozu auch wir, Rorik, Brida und ich, aufgefordert wurden. Als wir am Tag nach A Ethelwulfs Überfall mit mehreren Gruppen den schützenden Wall hinter uns ließen und ausschwärmten, um mit langen Messern Gras zu schneiden und das armselige Futter in Säcke zu stopfen, griff die Armee der Westsachsen an.
    Von A Ethelwulfs Sieg ermutigt, fiel das gesamte Feindesheer über Readingum her. Zuerst hörte ich nur Schreie aus westlicher Richtung, dann sah ich, wie galoppierende Reiter zwischen den Gruppen, die Gras schnitten, mit ihren Schwertern und Speeren niedermachten, was ihnen in die Quere kam. Wir drei rannten Hals über Kopf davon. Hinter mir hörte ich Hufschlag, warf einen Blick zurück und sah einen der Reiter mit erhobenem Speer Jagd auf uns machen. Ich war sicher, dass einer von uns sterben würde, und zerrte Brida an der Hand zur Seite. In diesem Moment traf ein Pfeil, vom Wall abgeschossen, den Reiter ins Gesicht, und er drehte blutend ab. Andere, die mit uns Gras gesammelt hatten, hasteten, von den Reitern der Westsachsen verfolgt, in Todesangst auf die Brücken zu. Auch wir rannten weiter und durchquerten, halb watend, halb schwimmend, den Graben, an dessen Rand uns zwei Männer aus dem modrigen, kalten Wasser zogen und über den Wall hievten.
    Draußen herrschte Durcheinander. Die Grassammler drängten sich auf den Brücken und wurden gnadenlos niedergemacht. Dann tauchten die westsächsischen Fußtruppen auf. Zahllose Kämpfer kamen aus dem nahen Wald und schwärmten über das Feld aus. Ich rannte zum Haus, in dem Ragnar Quartier bezogen hatte, gürtete mich mit Schlangenhauch, den ich unter Kleidern versteckt hatte, und machte mich auf die Suche nach Ragnar. Ich fand ihn und seine Männer auf dem Wall vor der Brücke, die der Temes am nächsten lag. Brida war mir gefolgt. Ich sagte: «Geh zurück und kümmere dich um Rorik.» Rorik hatte nach dem kalten Bad im Graben am ganzen Leib zu zittern angefangen und fühlte sich so elend, dass ich ihm geraten hatte, im Haus zu bleiben.
    Brida hörte nicht auf mich. Sie hatte sich mit einem Speer bewaffnet und war außer sich vor Erregung, obwohl noch nichts weiter geschah. Auf unserer Seite des Brückentors liefen immer mehr Männer zusammen. Ragnar starrte auf das Feld hinaus und brüllte, nach einem Blick auf

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