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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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gefasster Bernstein. Seine Arme bedeckten lauter goldene Reife, und auch die Halskette und Thors Hammeramulett bestanden aus purem Gold. Es wurde still, als er sich von seinen Gefolgsleuten den Weg nach vorn bahnen ließ. Die soeben noch festliche Stimmung schlug mit einem Male um.
    «Wer ist gekommen?», flüsterte Ravn.
    «Sehr groß, viele Armreife», antwortete ich.
    «Düster», fügte Brida hinzu, «in Schwarz gekleidet.»
    «Ah! Graf Guthrum», sagte Ravn.
    «Guthrum?»
    «Guthrum der Unglückliche.»
    «Der Unglückliche? Mit all den Armreifen?»
    «Selbst wenn man ihm die ganze Welt zu Füßen legte, würde er sich noch betrogen fühlen», sagte Ravn.
    «In seinem Haar steckt ein Knochen», bemerkte Brida.
    «Frag ihn selbst, was es damit auf sich hat.» Ravn schmunzelte, sagte aber nichts weiter zu dem Knochen, einer Menschenrippe mit goldener Spitze.
    Graf Guthrum der Unglückliche, ein dänischer Graf, überwinterte in Beamfleot, einem am Nordufer der Temesmündung gelegenen Ort. Nachdem er die Männer am Altar begrüßt hatte, ließ er die Anwesenden wissen, dass er vierzehn Schiffe mitgebracht habe. Niemand applaudierte. Guthrum starrte mit dem traurigsten, verdrießlichsten Gesicht, das ich je gesehen hatte, in die Runde wie ein Angeklagter, der ein strenges Urteil fürchten musste, und zeigte dabei eine so sauertöpfische Miene, dass mir ganz anders wurde. Ragnar brach das unangenehme Schweigen und sagte: «Wir haben beschlossen, nach Westen vorzurücken.» Obwohl ein solcher Beschluss gar nicht gefasst war, erhob niemand Einspruch. Ragnar fuhr fort: «Alle Schiffe, die durch die Brücke sind, werden mit ihren Mannschaften stromaufwärts rudern. Der Rest des Heeres zieht über Land, zu Pferde oder zu Fuß.»
    «Ich will mit meinen Schiffen stromaufwärts», sagte Guthrum.
    «Sind sie durch die Brücke?»
    «Sie werden trotzdem mitkommen», entgegnete Guthrum und gab damit zu verstehen, dass seine Flotte noch unterhalb der Brücke lag.
    «Wir sollten uns morgen in Marsch setzen», sagte Ragnar. Während der vergangenen Tage hatte sich die gesamte Große Armee in Lundene gesammelt. Die einzelnen Truppen waren aus Siedlungen im Norden und Osten, wo sie Quartier bezogen hatten, in die Stadt gekommen, und je länger wir warteten, desto mehr kostbare Nahrungsvorräte wurden verbraucht.
    «Meine Schiffe kommen mit», wiederholte Guthrum ausdruckslos.
    «Er fürchtet, zu Pferde nicht genügend Beute wegschaffen zu können», flüsterte mir Ravn zu. «Die Schiffe könnte er dagegen voll beladen.»
    «Warum sollte er überhaupt mitkommen?», fragte ich, denn es war deutlich, dass keiner der Anwesenden Graf Guthrum mochte und dass seine Ankunft weder willkommen war noch gelegen kam. Ravn aber zuckte nur mit den Schultern. Guthrum war nun einmal da, und deshalb würde er eben am Angriff teilnehmen. Das leuchtete mir immer noch nicht ein, doch genauso wenig verstand ich, warum Ivar und Ubba nicht mit uns nach Wessex zogen. Zwar hatte keiner der beiden weitere Reichtümer nötig, aber sie hatten seit Jahren davon gesprochen, Westsachsen erobern zu wollen, und den Plan jetzt einfach aufgegeben. Auch Guthrum brauchte weder neues Land noch ein größeres Vermögen, aber er wollte es trotzdem haben, und deshalb kam er mit. So waren die Dänen. Halfdan befehligte zwar die Große Armee, doch im Unterschied zu seinen beiden älteren Brüdern fehlte es ihm an Durchsetzungskraft, sodass er auf die Zustimmung der übrigen Anführer angewiesen war. Ich lernte mit der Zeit, dass ein Heer von einem einzigen Mann geführt werden muss, wenn es unter zwei Befehlshabern steht, ist es nur halb so stark.
    Es dauerte zwei Tage, bis Guthrums Schiffe die Brücke passiert hatten. Sie waren wunderschön, größer als die meisten dänischen Boote und jedes an Vorder- und Hintersteven mit schwarz bemalten Schlangenköpfen geschmückt. Seine Männer, und es waren viele, trugen allesamt Schwarz. Selbst ihre Schilde waren schwarz bemalt, und wenn mir auch der Anblick ihres Herrn über die Maßen kläglich erschien, so fand ich diese Truppen doch außergewöhnlich beeindruckend. Wir hatten vielleicht zwei Tage verloren, aber die schwarzen Krieger dazu gewonnen.
    Und was hätten wir zu furchten gehabt? Die Große Armee hatte sich gesammelt, es herrschte strenger Winter, in dem der Feind keinen Angriff erwartete, und dieser Feind wurde von einem König und einem Prinzen regiert, die mehr vom Gebet als vom Kampf erwarteten. Ganz Wessex lag vor

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