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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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Sarkastisches.
    »Ich möchte nur sichergehen, daß ich die Unterlagen richtig verstanden habe. In diesem Fall gibt es also zwei Angeklagte. Beiden wird vorgeworfen, denselben Mann ermordet zu haben, allerdings zu verschiedenen Zeitpunkten. Habe ich die Behauptungen der Polizei richtig verstanden?«
    Annmari Skar errötete nie. Jetzt spürte sie, wie ihre Haut brannte. Sie erhob sich halbwegs, konnte sich aber nicht entscheiden und blieb in seltsam gekrümmter Haltung stehen.
    »Dem Angeklagten Nummer zwei wird nur ein Versuch vorgeworfen«, sagte sie halblaut und blies sich den Pony aus der Stirn. »Versuchter Mord, meine ich. Aber wenn der Verstorbene lange genug gelebt hätte, wäre er aufgrund dieses ersten Versuchs umgekommen – der nicht vollendet wurde, weil er später, danach, der Mann … der Verstorbene, meine ich … er wurde später …« Sie ließ sich auf ihren Stuhl fallen und teilte mit: »Ich werde darauf zurückkommen, wenn ich unser Haftersuchen erläutere.«
    »Das möchte ich aber auch hoffen«, sagte Richter Lund. »Ich freue mich sogar schon darauf. Könnten wir nun den Angeklagten Nummer eins, Claudio Gagliostro, aus dem Keller holen?«
    Wenige Minuten später wurde Claudio von zwei Uniformierten in den Gerichtssaal geführt. Er stolperte zum Zeugenstand und blickte verwirrt in die Runde. Schweiß strömte ihm über die Stirn, und er keuchte wie kurz vor einem Asthmaanfall.
    Richter Lund musterte ihn mit freundlichem Interesse.
    »Ihnen wird vorgeworfen, verstoßen zu haben gegen …« begann er und zählte in umwerfendem Tempo Paragraphen auf, ehe er aufblickte und seine Brille abnahm. »Das bedeutet, daß Ihnen vorgeworfen wird, in der Nacht vom fünften zum sechsten Dezember dieses Jahres Brede Ziegler einen tödlichen Messerstich in die Herzregion beigebracht zu haben. Außerdem, daß Sie in der Nacht zu Montag, dem 20. Dezember, vorletzte Nacht also, versucht haben sollen, Sebastian Kvie zu Tode zu bringen, indem Sie ihn in der Biedenkapsgate zwei von einem Gerüst gestoßen oder geschoben haben. Außerdem wird ihnen Unterschlagung und/oder Hehlerei in bezug auf eine unbekannte Menge Jahrgangsweine zur Last gelegt.«
    Richter Lund biß in einen Brillenbügel und musterte Gagliostro aus zusammengekniffenen Augen.
    »Erklären Sie sich für schuldig oder für nicht schuldig?«
    »Mein Mandant erklärt sich nicht für schuldig, er …«
    Anwalt Becker war schon aufgesprungen, ehe Claudio die Frage des Richters überhaupt erfaßt hatte.
    Richter Lund ließ ihn nicht ausreden, sondern schwenkte irritiert die linke Hand und bellte: »Ich gehe davon aus, daß Ihr Mandant sprechen kann. Anwalt Becker?«
    »Unschuldig!« rief Claudio. Seine Stimme klang belegt und ungelenk, so als sei er eben erst erwacht.
    »Nicht schuldig«, korrigierte der Richter und nickte dem Protokollführer zu.
    »Er sieht verdammt noch mal schuldig aus«, flüsterte Billy T. Annmari Skar ins Ohr. »Ich habe keine Ahnung, ob er schuldig ist, aber sieh ihn dir doch bloß an!«
    »Laß den Quatsch«, fauchte sie zurück. »Halt die Fresse, und gib mir die Unterlagen, die ich brauche, ehe ich sie brauche.«
    Als die Formalitäten erledigt waren, wurde der Polizeijuristin die Gelegenheit gegeben, den Angeklagten zu verhören. Der Richter hob leicht die Augenbrauen, als Annmari ablehnte. Sie ging davon aus, daß Claudios Anwalt ihr diese Arbeit abnehmen werde. Und das tat er. Selbst auf die leichtesten und wohlwollendsten Fragen von Anwalt Becker hin schaffte Claudio Gagliostro es, sich in Widersprüche zu verwickeln. Er stammelte, stotterte und griff sich an die Stirn. Sein Norwegisch wurde immer schlechter, und gegen Ende der Befragung hätte man meinen können, er sei erst vor wenigen Monaten ins Land gekommen. Der ganze Mann schien in Auflösung begriffen. Körperflüssigkeiten troffen über seine Hemdbrust; Rotz, Tränen und Schweiß flossen zu einem zähen Brei zusammen, unter dem Claudios Gesicht glänzte und der den Richter veranlaßte, auffällig oft verlegen in seine Unterlagen zu schauen.
    »So was muß er doch schon häufiger gesehen haben«, murmelte Billy T. kaum hörbar.
    Er selbst fühlte sich allerdings auch nicht wohl in seiner Haut. Nicht weil er der Erniedrigung eines anderen Menschen beiwohnte, sondern weil er nicht an dessen Schuld glaubte. Jedenfalls nicht, was den Mord an Brede Ziegler betraf. Das ergab einfach keinen Sinn. Claudio Gagliostro war ein amoralischer Trickser. Er hätte sicher keine

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