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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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zu seinem Anwalt auf und schien auch nicht mehr zu schwitzen.
    Anwalt Becker redete lange. Annmari staunte darüber, daß ihm das gestattet wurde. Er hatte zwar einiges zu sagen, aber vor lauter Freude über seine schönen Argumente büßte er die Fähigkeit, sich zu beschränken, vollständig ein. Als er zum dritten Mal auf die Garderobentheorie zu sprechen kam, um den Haarbeweis der Polizei ad absurdum zu führen, hatte Richter Lund die Nase voll.
    »Ich glaube, das Gericht fühlt sich jetzt hinreichend informiert«, sagte er energisch.
    Als nach einer Pause Sindre Sand in den Zeugenstand trat, fiel Annmari und Billy T. gleichermaßen auf, daß der Junge ungewöhnlich gelassen aussah dafür, daß er fast die ganze Nacht wach gelegen und anderthalb Tage in einer Kahlzelle verbracht hatte. Sein Hemd wirkte noch immer frisch gebügelt, und irgendwer mußte ihm die Möglichkeit gegeben haben, sich zu rasieren.
    »Nicht schuldig«, sagte er nach den einleitenden Formalitäten mit energischer Stimme. »Aber ich bin zur Aussage bereit.«
    »Sie haben in den vergangenen Wochen der Polizei gegenüber mehrere Aussagen gemacht«, begann Annmari Skar. »Unter anderem haben Sie gesagt, daß Sie … Brede Ziegler nicht leiden konnten?«
    Sie schaute Sand Bestätigung heischend an. Der zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    »Und aus diesem Grund, sagen Sie, hätten Sie so lange keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt«, fuhr sie fort. »Weiter haben Sie ausgesagt, daß Sie früher mit Zieglers Witwe, Vilde Veierland, ein Verhältnis hatten und so gut wie verlobt waren. Auch mit ihr hätten Sie lange nicht mehr gesprochen, haben Sie bei den Vernehmungen gesagt.«
    »Ich habe gesagt …«
    »Nur einen Moment noch. Das Gericht und ich wissen, was Sie gesagt haben, Sand. Sie haben die Protokolle selbst unterschrieben.«
    Annmari flüsterte Billy T. etwas zu, und der reichte ihr ein Dokument. Sie fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nase und blieb lange in dieser Haltung sitzen.
    »Warum haben Sie gelogen?« fragte sie dann plötzlich.
    »Ich habe nicht gelogen. Ich habe Vilde ewig nicht mehr gesehen. Seit … ich weiß es nicht mehr.«
    »Warum?« Sie ließ sich auf ihren Stuhl zurücksinken und schlug die Arme übereinander. »Warum wollen Sie nicht zugeben, daß Sie Vilde in letzter Zeit mehrmals gesehen haben?«
    »Ich habe sie nicht gesehen«, sagte Sindre Sand trotzig.
    Annmari bat Billy T. um ein weiteres Dokument und zitierte vier Zeilen aus einer Aussage von Egon Larsen, Vilde Veierland Zieglers Nachbar in Sinsen, der den Angeklagten dreimal in der Umgebung beobachtet hatte. Einmal sogar beim Betreten von Vildes Treppenhaus.
    »Egon Larsen leitet die Mensa der Sogn-Gesamtschule, Sand. Er kannte Sie vom Sehen.«
    »Er muß sich geirrt haben. Da oben gibt es Hunderte von Schülern. Und ich habe die Schule vor zwei Jahren verlassen. Er hat sich geirrt.«
    Annmari beugte sich über die Schranke und versuchte seinen Blick einzufangen. Er wirkte unverändert souverän, so als habe er den Ernst seiner Lage nicht begriffen oder als sei ihm alles egal. Annmari Skar hatte so etwas schon häufiger gesehen. Sie wußte, daß diese Gelassenheit nicht tief wurzelte. Möglicherweise gelang es dem Jungen, seine Fassade während der gesamten Verhandlung aufrechtzuerhalten. Er konnte aber auch binnen zwei Sekunden restlos zusammenbrechen.
    »Und irren sich auch alle anderen Zeugen, Sand? Ich sehe mal nach …«
    Sie brauchte Zeit, um das Dokument zu finden, obwohl es schon aus dem Ordner genommen worden war und deutlich sichtbar vor ihr lag.
    »Eins, zwei, drei, vier … fünf. Fünf Zeugen sagen aus, daß Sie sich zu dem Zeitpunkt, zu dem Brede Ziegler ermordet wurde, nicht im Rundfunkgebäude in Marienlyst aufhielten. Einige behaupten sogar, Sie seien eine ganze Stunde weggewesen. Kann es sein, daß …«
    Anwalt Bøe fiel der Gegenseite nur selten ins Wort. Seltsamerweise klang auch seine Stimme ungewöhnlich dünn.
    »Einen Moment«, sagte er gebieterisch. »Vielleicht könnten Sie hier eine Pause machen und uns erzählen, worauf Sie eigentlich hinauswollen? Sie haben eben erst, und zwar mit großem Engagement, vorgetragen, daß der Angeklagte Gagliostro aus triftigen Gründen des Mordes an Ziegler verdächtigt werden kann. Ich sehe nicht, wie es dann zu vertreten ist, die Zeit des Gerichts mit der Erörterung zu verschwenden, daß auch mein Mandant am Tatort gewesen sein kann. Sindre Sand wird doch wohl nicht des Mordes

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