Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Sørensen schob sich durch die Rauchwolken in Hannes Büro, setzte sich dennoch und legte gelassen die Beine auf den Tisch.
»Nicht sonderlich viel. Sindre Sand, wie geht es dem?«
»Verweigert die Aussage. Das ist ja der neue Trend.« Silje griff zur Tabakspackung und las vor: »Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit.«
»Tell me something I dont’t know«, sagte Hanne leicht genervt und riß die Packung an sich. »Wie sieht’s mit der Paracetamolforschung aus?«
»Die Technik nimmt seine Wohnung auseinander und eine ganze Gruppe von Polizeianwärtern klappert sämtliche Apotheken in der ganzen Stadt ab, in der Hoffnung, daß jemand sich erinnert. Was sicher nicht der Fall sein wird. Der Verkauf von Paracetamol wird nicht registriert. Wie gesagt, es ist rezeptfrei.« Sie gähnte hinter einer schmalen Hand mit dunkelroten Nägeln. »Das dauert seine Zeit. Aber früher oder später kriegen wir ihn. Wir werden sehen, wie er darauf reagiert, vier Wochen eingesperrt zu sein und keinen Besuch zu bekommen.«
»Ich würde das ziemlich genau eine halbe Stunde aushalten«, sagte Hanne und bot Silje aus einer zerquetschten Packung eine Pastille an. »Die arme Tussi Helmersen wird nach ihren sechs Stunden im Hinterhaus nie wieder die alte sein.«
»Darüber sollten wir uns alle freuen«, sagte Silje, »zumindest gilt das für den kleinen Thomas. Seine Mutter hat mich heute morgen angerufen, um sich zu bedanken. Frau Helmersen hat sich an einen Immobilienmakler gewandt. Sie möchte aufs Land ziehen, sagt sie. Also hat das Ganze doch etwas Gutes. Übrigens stammen die Drohbriefe wirklich von ihr. Fingerabdrücke überall, wie sich herausgestellt hat. Sie hatte eine hübsche kleine Haßwand in ihrer Wohnung, mit Bildern von allen öffentlichen Personen, die jemals ein gutes Wort über etwas verloren haben, das sich außerhalb der norwegischen Grenzen abspielt. Thorbjørn Jagland zum Beispiel hatte sie Hörner auf der Stirn verpaßt. Sie kommt mit einem Bußgeld davon. Vielleicht wird auch gar nicht erst Anklage erhoben, meint Annmari. Es hat doch gar keinen Zweck, die Alte wegen eines Katzenmordes und einiger alberner Drohbriefe vor Gericht zu stellen. Was ich aus der ganzen Sache gelernt habe, ist, daß die Blindspuren, in denen wir uns verlaufen, unser größtes Problem darstellen. Ist das bei jeder Ermittlung so?«
»Bei jeder. Alle haben etwas zu verbergen. Alle lügen, jedenfalls in dem Sinn, daß sie uns nie die ganze Wahrheit erzählen. Wenn abgesehen von den Schuldigen alle in jeder Hinsicht die Wahrheit sagen würden, hätten wir den leichtesten Job auf der Welt. Und dann würde er vielleicht keinen Spaß mehr machen.«
Silje lachte kurz und kratzte sich diskret am Bauch
»Jetzt zieht Tussi also um. Schön für Thomas. Unglaublich, was so ein Aufenthalt in der Kahlzelle alles bewirken kann. Dein kleiner Daniel ist danach auch auf Stelzen unterm Teppich gegangen.«
Hanne gab keine Antwort. Sie tippte mit einer nicht angezündeten Zigarette auf die Tischplatte, als habe sie beschlossen, sie doch nicht zu rauchen.
»Aber irgendwas stimmt mit dieser Idun Franck nicht«, fuhr Silje fort und schnappte sich die Streichholzschachtel. »Sie schien irgendwie …«
Hanne war sich nicht sicher, ob das Silje Sørensen bewußt war. Aber wenn sie den Kopf schräg legte und zur Decke schaute, sah sie aus wie ein nachdenkliches kleines Kind.
»… ein Geheimnis zu haben.«
»Ein Geheimnis«, wiederholte Hanne und streckte die Hand aus. »Her mit den Streichhölzern. Alle haben Geheimnisse.«
»Nicht rauchen.«
»Na los. Her damit. Hast du keine Geheimnisse?«
»Rauchen ist gefährlich. Und hier ist es verboten.«
»Das ist jedenfalls kein Geheimnis. Jetzt komm schon. Gib mit die Streichhölzer.«
Hanne erhob sich halbwegs und versuchte, Siljes Handgelenk zu erreichen. Die junge Kollegin hob die Hand über ihren Kopf, lachte und schüttelte die Schachtel.
»Ich habe zwei«, sagte sie. »Zum einen bin ich reich.«
Hanne setzte sich wieder, öffnete eine Schublade, zog ein Feuerzeug hervor und zündete sich die Zigarette an.
»Reich? Ach was.«
»Schwerreich«, flüsterte Silje und kicherte. »Ich meine, ich habe wirklich sehr viel Geld. Aber das verrate ich niemandem. Hier im Hause, meine ich.«
»Das nicht«, sagte Hanne trocken. »Du läufst nur in Kostümen zu zehntausend Kronen rum, in Schuhen zu ungefähr dem halben Preis und mit Schmuck, den wir verkaufen könnten, um von dem Erlös ein neues Gefängnis zu
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