Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Trinkgewohnheiten eben. Andere sagen, er habe so gut wie nie Alkohol angerührt, wieder anderen zufolge hat er gesoffen.«
Die Tür ging auf. Ein Hauch von frischer Luft wehte in den fensterlosen Raum, und Polizeidirektor Hans Christian Mykland kam herein. Stuhlbeine scharrten.
»Bleibt ruhig sitzen«, murmelte er und ging zu dem Stuhl neben der Kaffeemaschine, nachdem er Billy T. flüchtig zugenickt hatte.
Der Hauptkommissar setzte sich unwillkürlich gerader und wies auf Karianne, um sie zum Weiterreden zu bewegen.
»Ich habe die Vernehmungsprotokolle ja nun mal nicht gelesen«, sagte sie. Dann schaute sie den Polizeidirektor an und fügte hinzu: »Wir haben keine Leute für die Abschriften, deshalb …«
»Das wissen wir schon«, sagte Billy T. mit tonloser Stimme. »Weiter.«
»Aber ich habe mir eine Art Bild von dem Mann gemacht. Das heißt, das habe ich nicht.« Sie faßte sich an den Hals und wiegte den Kopf. »Es ist so schwer zu erfassen, wer er wirklich war. Zum Beispiel … behauptet fast die Hälfte der Zeugen, mit Ziegler eng befreundet zu sein. Wenn wir diese Freundschaften dann genauer unter die Lupe nehmen, stellt sich heraus, daß diese Leute ihn während der letzten Jahre höchstens dreimal richtig gesprochen haben. Und dann ist da die Sache mit der Frau. Fast niemand wußte, daß sie überhaupt zusammen waren, und dann kamen sie plötzlich als Ehepaar mit breiten Goldringen aus Mailand zurück.«
»Dieser Klunker soll ein Trauring gewesen sein?« fragte Billy T. überrascht. »Dieser Rieseneumel mit dem roten Stein? Haben wir … gibt es in Mailand ein norwegisches Konsulat?«
»Vielleicht herrschen in Italien andere Sitten als bei uns«, sagte Karianne trocken. »Vielleicht ist dort keine Aufenthaltsgenehmigung erforderlich. Vielleicht kann man einfach nach Italien fahren und heiraten. Wenn man in einem EULand lebt, meine ich. Du weißt möglicherweise, daß wir mit der Europäischen …«
»Hör jetzt auf!« Annmari hatte sich merklich zusammengerissen, seit der Polizeidirektor Einzug gehalten hatte. »Erzähl lieber weiter.«
»Sicher«, sagte Karianne und holte tief Luft. »Ich wollte nur die Frage des Chefs beantworten. Was die Frau angeht, Vilde Veierland Ziegler, so bin ich ziemlich ratlos, um ehrlich zu sein. Ich habe gestern zweimal mit ihr telefoniert. Beide Male hat sie versprochen, so schnell wie möglich nach Oslo zu kommen. Sie ist noch immer nicht aufgetaucht. Wenn sie heute nicht wie abgemacht um zwölf hier erscheint, fahre ich nach Hamar und spreche dort mit ihr. Aber …« Sie schaute auf und bohrte einen Zeigefinger in die Luft. »… ich habe im Ehevertragsregister in Brønnøysund nachgesehen. Das Ehepaar Ziegler ist dort nicht aufgeführt.«
»Gütergemeinschaft«, sagte Annmari Skar langsam. »Die Frau erbt alles. Er hat keine Kinder.«
Unterschiedliche Varianten von »Aha« vermischten sich zu einem Stimmengewirr.
»Irrtum«, erwiderte Karianne. »Jedenfalls nicht ganz richtig. Vielleicht wird die junge Witwe doch nicht so ganz lustig sein, denn das Restaurant bekommt sie nicht.«
»Nicht?« Polizeidirektor Myland meldete sich zum ersten Mal seit seinem Erscheinen zu Wort. »Warum nicht?«
»Also«, Karianne Holbeck zögerte mit ihrer Antwort. »Ich kenne mich mit der Gesetzeslage nicht so gut aus, aber … angeblich gibt es da eine sogenannte firmeninterne Absprache. Kann das stimmen?«
Annmari Skar und der Polizeidirektor nickten.
»Und diese Absprache sieht so aus.« Karianne griff zu einem blanken Bogen und zerriß ihn in zwei Stücke. Sie schwenkte das eine und sagte: »Ziegler besaß einundfünfzig Prozent des Entré. Der Rest, also neunundvierzig Prozent …«
Billy T. verdrehte die Augen.
»… gehört Oberkellner Claudio«, sie mußte ihre Unterlagen konsultieren, »Claudio Gagliostro. Was für ein Name! Fast keiner von den Zeugen kannte seinen Nachnamen. Und niemand wußte, daß ihm ein so großer Anteil gehört. Claudio ist Oberkellner und Geschäftsführer, und die Vereinbarung sieht vor, daß der eine die Anteile des anderen erbt, sollte einer vor dem 31. Dezember 2005 das Zeitliche segnen.«
»Womit Genosse Claudio nun reich wäre«, sagte Karl Sommarøy, der aus purer Zerstreutheit wieder an seinem Pfeifenkopf herumschnitzte.
»Tja«, sagte Karianne. »Wir wissen allerdings noch nicht, was der Laden wirklich wert ist. Auf jeden Fall bleibt für die Gattin immer noch genug. Die Wohnung in der Niels Juels gate hat er 97 für über
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