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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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Apparat herum. »Luft! Hilfe!«
    Er riß das Fenster sperrangelweit auf, und sie fröstelte, als kalte Luft ins Zimmer strömte. Der Kochtopf stand vergessen im Spülbecken, und sie rannte zum Bett und wickelte sich in die Decke. Lachend winkt sie ihn mit einem Finger, der unter der Decke hervorlugte, zu sich.
    Sindre lächelte nicht einmal. Er sammelte seine überall verstreuten Kleidungsstücke auf und zog sich an.
    »Was ist los mit dir, Vilde?«
    Er klang mürrisch, so als sei ihm plötzlich aufgegangen, daß sich seit dem Tag, an dem Brede ihm alles genommen hatte, nichts verändert hatte. »Du führst dich hier auf wie die lustige Witwe, das muß ich wirklich sagen.«
    Er schnappte sich den Pullover und mühte sich damit ab, den engen Rollkragen über den Kopf zu kriegen.
    »Setz dich doch. Dann reden wir über alles.«
    Auch sie war jetzt ernst. Er zögerte, zog dann aber seine Hose an.
    »Wir haben uns eigentlich nichts zu sagen. Getan ist getan. Gegessen ist gegessen.«
    »Viel gegessen haben wir aber nicht«, sagte sie. »Warum bist du gekommen, wenn du nicht mit mir reden willst?«
    »Weil ich wissen wollte, wie es dir geht. Wie du … mit allem fertig wirst.«
    Die Worte hingen im Raum wie eine Anklage, und er starrte ins Leere.
    »Ich sehe, daß es dir gutgeht«, sagte er dann und schloß seinen Gürtel. »Aber ich hatte nicht damit gerechnet, heute abend zu … einem Fest eingeladen zu werden.«
    Er bückte sich nach seinen Socken. Als er sich wieder aufrichtete, schien Vildes Kopf über der Bettdecke kleiner geworden zu sein.
    »Aber das Geld, Sindre! Begreifst du denn nicht, daß jetzt alles in Ordnung ist und wir Geld haben und …«
    Er nahm seine Jacke und ging.

30
    Der Mietwagen hatte ein Automatikgetriebe. Das war ungewohnt; sogar in den USA hatte sie auf manueller Schaltung bestanden. Nun bremste sie jedesmal, wenn sie die Kupplung betätigen wollte. Ein wütender Opel Omega wäre fast in sie hineingefahren; sie meinte, ein leises Beben der Stoßstange bemerkt zu haben. Vielleicht sollte das ein Fingerzeig sein. Aber sie weigerte sich umzudrehen.
    Sie fuhr mit achtzig über die E 18, wo neunzig erlaubt waren. Sie hatte es nicht eilig. Eine gute halbe Stunde, nachdem sie in Bislett das Auto geholt hatte, hielt sie an. Nicht direkt vor dem Grundstück in der Parknische, die offenbar für Gäste bestimmt war, sondern hundert Meter weiter die ruhige Sackgasse hinunter. Mehrarmige Leuchter und Plastiksterne schimmerten zwischen den Vorhängen in den Fenstern, hier und dort lehnte bereits ein in ein Netz gewickelter Tannenbaum an der Wand und wartete auf das Fest. Aus dem Schornstein der Familie Vibe quoll Rauch.
    Hanne Wilhelmsen blieb am Zaun stehen.
    Hier war sie auch früher schon gewesen. Viele Male. Cecilie hatte sich damals für den längsten Schulweg entschieden; sie wollte sie absolute Eliteschule in Oslo besuchen, obwohl sie dafür jeden Morgen um sechs aufstehen mußte, um in Drammen den Zug zu erwischen. Hanne hatte einmal gefragt, wie sie die Sache rein formell geregelt hatte. Cecilie hatte gelächelt und mit den Schultern gezuckt. Cecilies Vater war Oberschulrat für den Bezirk Buskerud gewesen – Hanne hatte nie wieder danach gefragt.
    Sie schaute zu dem einzigen dunklen Fenster hinauf.
    Die ungeölten Torangeln jammerten in der Kälte. Vorsichtig schloß Hanne das Tor hinter sich. Es war inzwischen zehn Grad unter Null, und der Kies knirschte unter ihren Sohlen. An der Haustür hing ein Kranz aus Christdornzweigen, verziert mit roten Beeren und Seidenbändern, die auf englisch willkommen hießen.
    »Hanne«, sagte Inger Vibe gelassen, als sei Hanne in diesem Haus ein täglicher Gast. »Ich habe dich auf der Auffahrt gehört. Ja, nicht, daß du es warst, aber …«
    Sie lachte leise, ein Lachen, bei dem Hanne die Augen schließen mußte; sie blieb so lange stocksteif stehen, daß Inger Vibe ihr schließlich eine Hand auf den Arm legte, um sie ins Wohnzimmer zu führen.
    »Wir haben dich erwartet«, sagte Cecilies Mutter. »Komm rein.«
    Ihr Rücken war Cecilies Rücken. Ihre Bewegungen, lautlos, mit kurzen Schritten, als schleiche sie, ohne sich dessen bewußt zu sein, waren die von Cecilie. Im Wohnzimmer duftete es nach Apfelsinen, und vom Fenster her hörte Hanne das leise Bimmeln von Posaunenengelchen, die im warmen Luftstrom über einer Kerze dahintrieben und dabei gegen kleine Messingglocken stießen, rhythmisch und fast unhörbar.
    »Bist du’s, Hanne? Setz dich.« Cecilies

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