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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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er. »Tigi …«
    Weder Tigi noch Frau Helmersen meldeten sich zu Wort.
    Er berührte die Tür, nur ganz leicht, und sie öffnete sich. In der Wohnung roch es seltsam. Nicht schlecht im Grunde, nur sehr stark. Nach Essen und Parfüm und altem Kram. Es roch ein bißchen wie bei seiner Oma, nur nicht so gut.
    Thomas hatte zwar Angst, fand es aber auch ziemlich spannend, in Frau Helmersens Wohnung zu sein. So etwas hatte er noch nie gesehen. Im Flur standen so viele Sachen herum, daß er sich ganz klein machen mußte, um nichts umzustoßen. An den Wänden hingen vier Spiegel mit riesigen Rahmen. Von der Tapete war fast nichts zu sehen, denn wo keine Spiegel hingen, hingen Bilder. Und Lampen, solche, die an der Wand befestigt waren, mit zwei Armen und Stoffschirmen und kleinen weichen Bommeln am Rand. Seine Mama hätte diese Lampen schrecklich gefunden.
    Die doppelte Wohnzimmertür war auch nur angelehnt. Aber für Tigi war der Spalt breit genug gewesen. Thomas schob den Kopf in das riesige Zimmer.
    »Tigi«, sagte er glücklich.
    Der kleine Kater saß auf einer alten Kommode und putzte sich. Thomas sprang im Zickzack zwischen einem schweren Tisch und Sesseln hindurch und nahm das Tier auf den Arm.
    »Tigi«, flüsterte er in das warme Fell.
    Dann schaute er sich um.
    Er hatte noch nie so viele Medikamente gesehen. Außer in der Apotheke natürlich, wo er zweimal mit seiner Oma gewesen war. Seine Eltern bewahrten die Medikamente in einem Schränkchen im Badezimmer auf. Das Schränkchen war abgeschlossen, und auf der Tür war das Bild einer Schlange, die an einer Art Schwert hochkletterte. In dieses Medizinschränkchen hätte das, was hier herumstand, längst nicht alles hineingepaßt. Schachteln und Gläser und Packungen waren auf der Kommode aufgestapelt, auf der Tigi gesessen hatte. Thomas hatte schon Angst, der Kater könnte etwas von dem Zeug verschluckt haben, aber alle Packungen sahen verschlossen aus. Er schaute sich um. Auf einem Tisch in der Ecke neben dem Fernseher standen noch mehr Medikamente. Und auf dem Eßtisch auch. Auf dem Radio. Überall.
    Thomas mochte hier nicht sein. Der Geruch war zu scharf, und Frau Helmersen konnte jeden Moment zurückkommen. Er ging zurück in den Flur. Und dort fielen ihm die Bilder auf. Keine Familienbilder mit Rahmen, sondern Bilder von Leuten, aus Zeitungen. Sie waren mit Heftzwecken festgemacht. Einige von diesen Leuten kannte er. Torbjørn Jagland war Ministerpräsident gewesen, als Thomas klein war. Es war kein besonders schönes Bild, und jemand hatte etwas mitten über das Gesicht geschrieben, was Thomas nicht lesen konnte. Kronprinz Haakon war aus einer Illustrierten ausgeschnitten. Es war ein Farbbild des Prinzen beim Skilaufen.
    Nun wollte er aber gehen. Er mußte nicht mehr, und Tigi wollte ins Freie. Für einen Moment spielte Thomas mit dem Gedanken, die Tür hinter sich ins Schloß fallen zu lassen. Aber es war besser, das nicht zu tun. Vielleicht hatte Frau Helmersen sie ja absichtlich angelehnt gelassen.

29
    Sindre Sand wußte nicht so recht, was er eigentlich erwartet hatte. So etwas jedenfalls nicht. Als er die kleine Wohnung betrat, roch er Lamm und Salbei. Vilde trug eine schwarze Hose und einen tief ausgeschnittenen grauen Chenille-Pullover. Die Teelichter, mindestens zwanzig, die in kleinen Gläsern überall im Zimmer verteilt waren, gaben ihm das Gefühl, daß die Zeit zurückgedreht worden sei. Nichts war passiert. Vilde hatte sich einfach eine neue Wohnung gesucht, aber das sollte nicht von Dauer sein, denn im Sommer würden sie heiraten.
    »Ich mußte nur schnell alles fertig machen, ehe ich dich reinlassen konnte«, sagte sie und bot ihm in einem riesigen Glas Rotwein an. »Setz dich.«
    Er verlor kein Wort darüber, daß sie alles so schön gemacht hatte. Er fragte nicht einmal, woher sie gewußt hatte, daß er gerade an diesem Abend kommen würde. Er sah nur Vilde, so, wie sie vor Brede gewesen war. Er zog seine Jacke aus, die gute, die er vor langer Zeit von Vilde bekommen hatte, vor Brede.
    Sie zog ihn weiter aus. Er zog sie aus.
    Nichts hatte sich geändert, und danach schliefen sie ein.
    »Verdammt! Die Lammrouladen!«
    Sie sprang aus dem Bett in dem kleinen Alkoven und stürzte in die Kochnische. Als der Wasserstrahl aus dem Hahn den Eisenkessel mit dem verbrannten Inhalt traf, quoll schwarzer Rauch ins Zimmer. Der Rauchmelder heulte los.
    »Mach das Fenster auf!« Sie lachte und heulte und fuchtelte mit einer Zeitung unter dem lärmenden

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