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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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und Silje auf die Schläfe küßte.
    »Wie schön«, sagte sie noch einmal und übergab sich.

38
    Dr.   Felices Arbeitstag hatte gerade erst begonnen. Trotzdem war er erschöpft. Die Grippeepidemie wütete noch immer, und er kam mit der Büroarbeit nicht nach. Er hatte Schweißflecken unter den Armen. Im Schrank hingen zwei saubere, frischgebügelte Hemden. Dem ersten fehlte ein Knopf, deshalb griff er ärgerlich zu dem anderen. Dabei atmete er durch den Mund, denn er meinte, noch durch die Tür seine Kranken riechen zu können.
    Er mußte diesen Billy T. anrufen. Je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, daß er das tun sollte. Als er zum ersten Mal den Krankenbericht durchgegangen war, nachdem die Polizei ihn angerufen hatte, hatte er diese Auskunft nicht wichtig gefunden. In dem Auszug, den er dem riesigen Polizisten ausgehändigt hatte, fehlte die Sache. Die Anfrage damals war ja unbeantwortet geblieben und konnte wohl kaum etwas mit dem Mord zu tun haben. Außerdem lag sie schon viele Jahre zurück. Strenggenommen wußte er nicht einmal, worum es damals gegangen war. Aber er hatte immerhin eine Ahnung. Und es konnte immerhin wichtig sein.
    Ein Vater führte ein zaghaftes Kind herein. Der Fünfjährige blieb an der Tür stehen und heulte los. Rotz mischte sich mit Tränen und Bonbonschleim, der von seiner Lippe tropfte. Der Vater fluchte. Er lockte und schimpfte, aber es half alles nichts. Stocksteif stand der Junge da, breitbeinig und schreiend, und Øystein Felice kam nicht an ihn heran.
    »Wir sind im Rückstand«, sagte Frau Hagtvedt sauer und schüttelte den Kopf, als sie an dem widerspenstigen Kind vorbeikam. »Väter …«
    Øystein Felice nahm einen Feuerwehrwagen aus dem Schrank, lächelte dem Kind krampfhaft zu und wappnete sich für einen weiteren Arbeitstag von zehn Stunden.

39
    Er fütterte sie mit einem Löffel. Der Haferbrei schmeckte nach muffiger Kindheit, und sie wandte sich nach drei Löffeln ab.
    »Etwas mußt du essen«, erklärte Tom energisch. »Noch ein bißchen.«
    Sie weigerte sich und sprang auf.
    »Genau das habe ich gerade befürchtet«, sagte sie resigniert. »Du wirst mich für die nächsten sieben Monate in Watte packen. Ich bin erwachsen, Tom. Ich bin schwanger. Also laß mich jetzt in Ruhe.«
    Er lag halbwegs über dem Bett, eine Schale Haferbrei in der einen und einen Löffel in der anderen Hand. Er hatte den Schlips abgenommen und die Hemdsärmel hochgekrempelt. Seine Stirn glänzte vor Schweiß, seine Wangen waren hektisch rot, und das Grinsen, das sich auf seinem Gesicht breitgemacht hatte, konnte annehmen lassen, daß das Kind bereits geboren sei, und zwar wenige Minuten zuvor. Es war an sich schon eine Überraschung, daß er noch zu Hause gewesen war, als sie aufwachte. Daß er sich nun aber auch noch ein langes Wochenende freigenommen hatte, kam einer Revolution gleich. Tom war nie krank und erschien nur drei Wochen im Sommer und zwei Tage zu Weihnachten nicht bei der Arbeit.
    »Weißt du, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist?« fragte er und lachte. »Mir ist das egal, weißt du das?«
    »Dussel«, sagte Silje verärgert. »Ich bin erst in der siebten oder achten Woche.«
    Als sie aus der Dusche kam, mit nassen Haaren und in ihren seidenen Schlafrock gehüllt, hatte er die Betten gemacht und ausgiebig gelüftet. Die einsame Rose lag auf ihrem Kopfkissen. Silje ging zu den Fenstertüren und band sich den Gürtel zu. Die eine Tür war noch angelehnt, und sie öffnete sie ganz. Sofort bekam sie eine Gänsehaut, und ohne zu wissen, warum, brach sie in Tränen aus. Weit weg, den Hang hinunter, hinter der großen Eiche, die sich nach Osten neigte und mit ihren Zweigen über die Garage fegte, konnte sie Oslo hören. Sie hatte das Haus im Dr.   Holms vei nie als zur Stadt gehörig betrachtet. Als ihr Vater es ihr zum zwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte, war ihr das zunächst unangenehm gewesen. Sie hatte lange gebraucht, um sich an diese Vorstellung zu gewöhnen. Sie war ein Einzelkind und sollte die Villa ihrer Großeltern übernehmen. Der Vater hatte vor ihrem Einzug alles renovieren lassen. Er selbst wohnte in einem Einfamilienhaus ein Stück weiter unten; die Familie besaß ein riesiges Grundstück mit vornehmer Adresse und hatte nie mit dem Gedanken an einen Verkauf gespielt.
    Während ihrer Zeit an der Polizeihochschule hatte sie nie Kollegen mit nach Hause gebracht. Sie hatte ihre Adresse immer nur gemurmelt und behauptet, weit außerhalb zu

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