Das Letzte Protokoll
hingekriegt.«
Draußen ging ein Mädchen von der Kunstakademie vo r bei. Das neueste »Werk« dieser Studentin war ein Tedd y bär, den sie mit Hundescheiße ausstopfte. Sie arbeitete mit blauen Gummihan d schuhen, die so dick waren, dass sie kaum noch die Finger b e wegen konnte. Sie behauptete, Schönheit sei eine abgedroschene Vorstellung. Oberfläc h lich. Betrug. Sie mache etwas Neues. Ein klassisches Dada-Thema in neuem Gewand. Den kleinen Tedd y bär ha t te sie in ihrem Studio bereits ausgeweidet, den falschen Pelz im Obduktionsstil eröffnet, und jetzt konnte Kunst daraus werden. In den mit brauner Kacke beschmierten Gummihan d schuhen konnte sie kaum die Nadel und den roten Faden halten. Als Titel für das alles hatte sie sich ausgedacht: Illusionen der Kindheit.
Andere Schüler auf der Kunstakademie, Kinder aus reichen Familien, Kinder, die sich in Europa und New York echte Kunst ansehen konnten, sie alle fertigten solche S a chen an.
Ein Junge in Mistys Klasse masturbierte unablässig, um bis zum Ende des Jahres ein Sparschwein mit Sperma zu füllen. Er lebte von den Dividenden eines Treuhandve r mögens. Ein Mädchen schluckte Eitempera in verschiedenen Farben und trank dann Ip e cacuanha-Sirup , damit sie ihr Meisterwerk auskotzen konnte. Sie kam mit einem italienischen Moped zum Unterricht, das mehr kostete als der Wohnwagen, in dem Misty aufg e wachsen war.
An jenem Vormittag im Rahmengeschäft fügte Peter den Ra h men zusammen. Er strich den Leim mit bloßen Fi n gern auf und bohrte Schraublöcher in die Winkel.
Misty, die immer noch zwischen Fenster und Werkbank stand und mit ihrem Schatten die Sonne blockierte, sie sagte: »Findest du das wirklich gut?«
Und Peter sagte: »Wenn du wüsstest...«
Das hast du gesagt.
Peter sagte: »Du stehst mir im Licht. Ich seh nichts.«
Hundescheiße, Wichse und Kotze. Er zog den Glasschneider über das Glas und ließ dabei das Schneidrä d chen nicht aus den A u gen. Einen Bleistift hinterm Ohr, sagte Peter: »Dass es stinkt wie Sau, macht noch lange keine Kunst draus.«
Er brach das Glas in zwei Teile und sagte: »Scheiße ist ein ästh e tisches Klischee.« Er sagte, der italienische Maler Piero Manzoni habe die eigene Scheiße in Dosen abgefüllt und mit »100 % Reine Künstlerscheiße« etikettiert, und das hätten die Leute gekauft.
Peter schaute so intensiv auf seine Hände, dass Misty hins e hen musste. Kaum wandte sie den Blick vom Fenster, klingelte hinter ihnen ein Glöckchen. Jemand betrat den Laden. Ein weiterer Schatten fiel auf die Werkbank.
Ohne aufzublicken, sagte Peter: »Hey.«
Und der Neue sagte: »Hey.«
Der Freund war ungefähr in Peters Alter, blond, ein paar Ha a re am Kinn, aber nichts, was man einen Bart nennen konnte. Auch einer von der Kunstakademie. Auch ein reicher Junge von W a ytansea Island. Er blieb stehen und richtete seine blauen Augen auf das Bild auf der Werkbank. Auch er zeigte Peters halbes L ä cheln, die Miene eines Menschen, der darüber lacht, dass er Krebs hat. Die Miene eines Menschen, der vor einem Erschi e ßungskommando steht, und die ihn erschießen sollen, sind Clowns, aber mit ec h ten Gewehren.
Ohne aufzusehen, polierte Peter das Glas und passte es in den neuen Rahmen ein. Er sagte: »Verstehst du jetzt, was ich über das Bild gesagt habe?«
Der Freund betrachtete das Haus, die umlaufende V e randa, den Lattenzaun und die blauen Vögel. Den Namen Misty Marie Kleinman. Mit seinem halben Lächeln sagte er kopfschüttelnd. »Klar, das ist ein Tupper-Haus.«
Das Haus hatte Misty erfunden. Einfach so.
In einem Ohr trug der Freund einen Ohrring. Ein altes Stück Schrottschmuck im Waytansea-Island-Stil, den alle von Peters Freunden pflegen. Halb von seinen Haaren verdeckt, hing da ein großes rotes Emailleherz, umgeben von goldener Filigranarbeit, in der geschliffene rote Glassteine funkelten. Er kaute Kaugu m mi. Spearmint, dem Geruch nach.
Misty sagte: »Hi.« Sie sagte: »Ich bin Misty.«
Und der Freund sah sie an und schenkte ihr dasselbe Tode s kandidatenlächeln. Er katschte auf seinem Ka u gummi herum und sagte: »Das ist sie also? Das ist die s a genhafte Künstlerin?«
Peter schob das Bild in den Rahmen, hinter das Glas, er hatte nur Augen für seine Arbeit und sagte: »Ich fürchte ja.«
Den Kopf zur Seite gelegt, nahm der Freund Misty in Auge n schein; sein Blick sprang überall auf ihr herum, auf ihren Hä n den und Beinen, ihrem Gesicht, ihren Brüsten. Immer noch kauend, sagte er:
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