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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Premierenvorstellung.
    Und Misty sagt: »Bitte sehr. Fragen Sie.«
    Auf dem Bett liegt ein verkrampftes Gerippe, bezogen mit wachsbleicher Haut. Bläulich weiß mumifiziert, Venen wie Blit z zacken dicht unter der Oberfläche. Die Knie bis zur Brust hoc h gezogen. Der Rücken so weit nach hinten geknickt, dass der Kopf beinahe den welken Hintern berührt. Die Füße wie zug e spitzte Pflöcke. Die Zehennägel lang und dunkelgelb. Die Hände so heftig verbogen, dass die Fingernägel in die zum Schutz um die Handg e lenke gewickelten Bandagen schneiden. Die dünne Decke ist ans Fußende der Matratze geschoben. An den Armen, am Bauch, am dunklen, verdorrten Penis, am Schädel: Überall sind durchsichtige und gelbe Schläuche befestigt. Nur noch so wenig Muskelfleisch ist übrig, dass Knie und El l bogen und Füße und Hände riesengroß aussehen.
    Schwarze Zahnlücken zwischen den weit aufgerissenen Li p pen, die von Vaseline glänzen.
    Der Vorhang ist aufgezogen, und jetzt riecht man das a l les: die mit Alkohol getränkten Tupfer, den Urin, die wund geleg e nen Stellen, die Hautcreme. Es riecht nach erhitztem Kunststoff. Es riecht nach scharfem Bleichmittel und Latexhandschuhen.
    Dein Tagebuch.
    Der gerippte blaue Plastikschlauch des Beatmungsgeräts steckt in einem Loch unterhalb des Kehlkopfs. Die Augen sind mit weißen Heftpflastern verschlossen. Der Kopf ist für den Hir n druckmonitor kahl rasiert, aber auf den Rippen und in der Hä n gematte aus Haut zwischen den Hüftknochen sprießen schmuddlige schwarze Haarstoppeln.
    Tabbis schwarze Haare.
    Deine schwarzen Haare.
    Misty hält den Vorhang auf und sagt: »Wie Sie sehen, kommt mein Mann zur Zeit nicht viel herum.«
    Alles, was du tust, trägt deine Handschrift.
    Detective Stilton schluckt. Der Levator labii superioris zieht se i ne Oberlippe bis dicht unter die Nasenlöcher, und er senkt den Blick in sein Notizbuch. Der Kugelschreiber bewegt sich heftig.
    In dem Schränkchen neben dem Bett findet Misty die Alk o holtupfer und reißt einen aus seiner Plastikhülle. Komapatie n ten werden nach der so genannten Glasgow-Komaskala eing e teilt, erklärt sie dem Polizisten. Die Skala geht von hellwach bis b e wusstlos und nicht ansprechbar. Man erteilt dem Patienten A n weisungen und beobachtet, ob und wie er darauf reagiert. Mit einer Bewegung. Mit einem Wort. Mit einem Augenzwi n kern.
    Detective Stilton sagt: »Was können Sie mir von Peters Vater erzählen?«
    »Na ja«, sagt Misty, »er ist ein Trinkbrunnen.«
    Der Polizist sieht sie an. Die Augenbrauen zusammeng e zogen. Die Corrugator-Muskeln an der Arbeit.
    Grace Wilmot hatte für einen schicken Messingbrunnen zum Gedenken an Harrow einen Haufen Geld hingelegt. Das Ding steht in der Aider Street, an der Kreuzung Division Avenue, nicht weit vom Hotel, erklärt Misty. Harrows Asche wurde im Rahmen einer Feier draußen auf der Landspitze verstreut.
    Detective Stilton notiert sich das alles in seinem Buch.
    Misty wischt mit dem Tupfer die Haut um Peters Brus t warzen sauber.
    Sie streift ihm den Kopfhörer ab und nimmt sein Gesicht in be i de Hände, legt es so auf das Kissen, dass er an die Zimme r decke sieht. Dann hakt sie die große gelbe Brosche von ihrer Jacke.
    Die niedrigste Punktzahl, die man auf der Glasgow-Komaskala erzielen kann, ist eine Drei. Das bedeutet: man b e wegt sich nicht, man spricht nicht, man blinzelt nicht. Egal, was jemand zu einem sagt oder mit einem macht. Man reagiert nicht.
    Die Brosche hat hinten eine Stahlnadel, die so lang wie Mistys kleiner Finger ist. Und die reibt sie nun mit dem Tupfer ab.
    Detective Stiltons Kugelschreiber hält mitten im Schreiben i n ne. Er sagt: »Kommt Ihre Tochter hier auch mal zu Besuch?«
    Und Misty schüttelt den Kopf.
    »Seine Mutter?«
    Und Misty sagt: »Meine Tochter ist die meiste Zeit bei ihrer Großmutter.« Misty betrachtet die gesäuberte, silbrig glänzende Nadel. »Sie gehen zusammen auf Flohmärkte«, sagt sie. »Meine Schwiegermutter arbeitet für eine Firma, die ihren Kunden Po r zellangeschirr aus eingestellten Pr o duktreihen besorgt.«
    Misty zieht die Pflaster von Peters Augen.
    Von deinen Augen.
    Sie hält seine Augen mit den Daumen offen, beugt sich dicht über sein Gesicht und schreit: »Peter!«
    Misty schreit: »Wie ist dein Vater wirklich gestorben?«
    Ihr Speichel benetzt seine Augen. Die Pupillen sind unte r schiedlich weit geöffnet. Misty schreit: »Bist du Mitglied irgen d einer neonazistischen Ökoterroristenbande?«
    Sie

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