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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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ausgebreitet.
    Das schwarze Haar ihres Vaters.
    Dein schwarzes Haar.
    Alles ist ein Selbstporträt.
    Alles ist ein Tagebuch.
    Unten am Strand vor dem Fenster steht ein Haufen Leute an der Wasserkante. Zwei Leute waten aus dem Meer an Land. Sie tragen etwas zwischen sich. Etwas blitzt rosa in der Sonne auf.
    Strass. Eine Halskette. Es ist Tabbi. Sie tragen sie an den Fe s seln und unter den Armen gefasst, ihr Haar hängt nass und glatt in die Wellen, die sich rauschend am Strand br e chen.
    Die Menge tritt zurück.
    Und laute Schritte kommen durch den Flur hinter der Tür. E i ne Stimme auf dem Flur sagt: »Ich bin so weit.«
    Zwei Leute tragen Tabbi den Strand hinauf zur Terrasse des Hotels.
    Das Türschloss klickt, die Tür schwingt auf, und Grace steht da mit Dr. Touchet. In seiner Hand blitzt eine tro p fende Spritze.
    Und Misty versucht sich aufrecht zu halten, schleift das Bein in dem starren Verband hinter sich her. Ihre Fußfe s sel.
    Der Arzt stürzt vor.
    Und Misty sagt: »Tabbi. Was ist passiert.« Misty sagt: »Am Strand. Ich muss da hin.«
    Der Verband kippt und reißt sie zu Boden. Die Staffelei neben ihr kracht um, das Glas mit dem trüben Spülwasser zerschellt in tausend Scherben. Grace geht in die Knie und fasst Misty am Arm. Der Katheter ist aus dem Beutel g e rutscht, und man riecht ihre Pisse, die im Teppich vers i ckert. Grace krempelt ihr einen Ärmel des Kittels auf.
    Dein altes blaues Arbeitshemd. Steif von trockener Farbe.
    »Sie können in diesem Zustand nicht nach unten«, sagt der Arzt. Er hält die Spritze hoch und klopft die Luftblä s chen nach oben. Er sagt: »Wirklich, Misty, Sie können da nichts tun.«
    Grace biegt Mistys Arm gerade, und der Arzt sticht ihr die Spritze rein.
    Kriegst du das mit?
    Grace drückt ihre Arme auf den Boden. Die Brosche mit den falschen Rubinen ist aufgegangen, und die Nadel hat sich in Mistys Brust gebohrt, rot rinnt ihr Blut über die nassen Steine. Das ze r brochene Glas. Grace und der Arzt halten sie auf dem Teppich fest, ihre Pisse breitet sich u n ter ihnen aus und steigt in ihrem blauen Hemd empor bis zu der Stelle, in der die Nadel steckt. Das brennt.
    Grace, die halb über ihr ist, sie sagt: »Misty will jetzt nach u n ten gehen.« Grace weint nicht.
    Misty sagt mit angestrengter Zeitlupenstimme: »Woher willst du wissen, was ich will?«
    Und Grace sagt: »Das steht in deinem Tagebuch.«
    Die Nadel fährt aus ihrem Arm, und Misty spürt, wie jemand die Haut um die Einstichstelle abreibt. Kalter A l kohol. Hände fassen sie unter die Arme und ziehen sie hoch, bis sie aufrecht sitzt.
    Grace' Gesicht: Ihr Levator-labii-Muskel, der Zähnefletschmu s kel , zieht ihr das Gesicht um die Nase zusammen. Sie sagt: »Das ist Blut. Oh, und Urin, sie ist von oben bis unten voll. So können wir sie nicht mit nach unten ne h men. Nicht vor all den Leuten.«
    Misty stinkt wie der Fahrersitz des alten Buick. Es stinkt nach deiner Pisse.
    Jemand streift ihr das Hemd ab, tupft sie mit Papierhandt ü chern trocken. Vom anderen Ende des Zimmers meldet sich die Stimme des Arztes: »Ausgezeichnete Arbeit. Sehr beeindr u ckend.« Er sieht den Stapel ihrer fertigen Zeichnungen und G e mälde durch.
    »Natürlich sind die gut«, sagt Grace. »Bringen Sie die bloß nicht durcheinander. Die sind nummeriert.«
    Nur um das festzuhalten: Niemand sagt etwas von Ta b bi.
    Sie stecken ihr die Arme in ein sauberes weißes Hemd. Grace zieht ihr eine Bürste durchs Haar.
    Die Zeichnung auf der Staffelei, das im Ozean ertrunkene Mä d chen, ist auf den Boden gefallen und saugt sich von unten her mit Blut und Pisse voll. Das Bild ist ruiniert. Nichts mehr zu s e hen.
    Misty kann keine Faust machen. Dauernd fallen ihr die Augen zu. Speichel läuft ihr aus dem Mundwinkel heraus, das Stechen in ihrer Brust verliert sich.
    Grace und der Arzt heben sie auf die Füße. Draußen auf dem Flur warten noch mehr Leute. Noch mehr Arme u m fassen sie von beiden Seiten, und dann trägt man sie in Zeitlupe die Treppe hinunter. Vorbei an bestürzten Gesichtern, die auf j e dem Absatz schweben. Paulette und Raymond und noch jemand, Peters blonder Freund vom College. Will Tupper. Sein Ohrläppchen immer noch gespalten. Das ganze Wachsfigurenkabinett von Waytansea Island.
    Es ist ganz still, nur ihr in Harz gegossenes Bein schleift nach und schlägt dumpf an jede Stufe.
    Im Foyer, in diesem düsteren Wald aus polierten Bä u men und moosgrünem Teppich, drängen sich Massen von Leuten , die aber

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