Das Letzte Protokoll
Misty an und sagt: »Würden Sie mir ein paar Fragen beantworten?«
Zu Peters Vandalismus?
»Vergangene Nacht wurde Angel Delaporte ermordet«, sagt er. »Es könnte ein Einbruch gewesen sein, aber au s schließen können wir gar nichts. Wir wissen nur, dass er im Schlaf erstochen wu r de.«
In ihrem Bett.
Unserem Bett.
Tabbi ist erst tot, dann lebt sie wieder. Als Misty ihre Tochter das letzte Mal gesehen hat, lag sie auf diesem Tisch hier, das G e sicht zugedeckt, ohne zu atmen. Misty bricht sich das Knie, dann ist es plötzlich heil. An einem Tag kann Misty malen, und dann kann sie es wieder nicht. Möglich, dass Angel Delaporte der G e liebte ihres Mannes war, aber jetzt ist er tot.
Dein Geliebter.
Tabbi greift nach der Hand ihrer Mutter. Sie führt Misty zu dem freien Stuhl. Sie zieht ihn heraus, und Misty nimmt Platz.
»Bevor wir anfangen . ..«, sagt Grace. Sie beugt sich über den Tisch, klopft Detective Stilton auf den Ärmelaufschlag und sagt: »Heute in drei Tagen wird Mistys Ausstellung eröffnet. Und n a türlich kommen Sie da auch.«
Meine Bilder. Sie sind hier irgendwo.
Tabbi blickt lächelnd zu Misty hoch und schiebt eine Hand in die ihrer Großmutter. Der Chrysolith-Ring fu n kelt grün auf dem wei ß leinenen Tischtuch.
Grace wirft Misty einen Blick zu und zuckt zurück wie j e mand, der mit dem Gesicht in ein Spinnennetz geraten ist: Kinn runter, die Hände tasten in der Luft herum. Sie sagt: »In letzter Zeit sind so viele unerfreuliche Dinge auf der Insel passiert.« Sie holt Luft, die Perlenkette hebt sich, sie seufzt und sagt: »Ich hoffe, die Au s ste l lung ist für uns alle ein Neuanfang.«
24. August
... und ein halb
In einem Bad im Dachgeschoss lässt Grace Wasser in die Wanne laufen, dann geht sie auf den Flur und wartet. Tabbi bleibt, um Misty im Auge zu behalten. Um die eig e ne Mutter zu bewachen.
Nur um das festzuhalten: Es kommt ihr vor, als wären in di e sem Sommer Jahre vergangen. Viele Jahre. Das Mä d chen, das Misty vom Fenster aus gesehen hatte. Wie es geflirtet hatte. Di e ses Mädchen mit den gelben Fingern kommt ihr vor wie eine Fremde.
Misty sagt: »Du solltest wirklich nicht rauchen. Auch wenn du schon tot bist.« Auf der Kunstakademie bringen sie einem nicht bei, wie man darauf reagiert, dass das eigene Kind sich ve r schworen hat, einem das Herz zu br e chen. Vorläufig, wo Tabbi und ihre Mutter allein im Bad sind, mag es die Aufgabe einer Tochter sein, ihre Mutter gegen sich aufzubringen.
Tabbi betrachtet sich im Badezimmerspiegel. Sie leckt an ihrem Zeigefinger und streicht den Rand ihres Lippe n stifts glatt. Ohne Misty anzusehen, sagt sie: »Du solltest lieber aufpassen, Mutter. Wir brauchen dich nicht mehr.«
Sie zieht eine Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche und nimmt sich eine. Direkt vor Mistys Nase knipst sie ein Feue r zeug an und pafft los.
Das Höschen hängt Misty weit um die dünnen Beine. Sie zieht es unterm Rock hervor, tritt es mit den Schuhen weg und sagt: »Als du tot warst, habe ich dich mehr geliebt.«
Der Ring ihrer Großmutter an der Hand, mit der sie die Zigare t te hält, der Chrysolith funkelt grün im Licht der Lampe über dem Waschbecken. Tabbi bückt sich und hebt ihren blutigen Fa l tenrock vom Boden auf. Sie hält ihn zw i schen zwei Fingern und sagt: »Omi Wilmot braucht mich, wir müssen die Ausste l lung vorbereiten.« Im Gehen sagt sie: »Deine Ausstellung, Mu t ter.«
In der Wanne saugen sich die Schnitzer und Kratzer vom Steakmesser mit Seife voll und brennen, dass Misty die Zähne zusammenbeißen muss. Das getrocknete Blut macht das Bad e wasser mi l chig rosa. Vom heißen Wasser fangen die Wunden wieder zu bluten an, und beim A b trocknen ruiniert Misty ein weißes Handtuch mit roter Schmiere.
Detective Stilton zufolge hat die Polizeiwache auf dem Fes t land heute Morgen einen Anruf erhalten. Der Anrufer wollte seinen Namen nicht nennen, er teilte lediglich mit, Angel Delaporte sei tot. Er sagte, das Ozeanbündnis für Freiheit werde so lange To u risten töten, bis diese endlich aufhörten, die Umwelt zu verpe s ten.
Das Silberbesteck, so groß wie Gartenwerkzeuge. Die u r alten Weinflaschen. Die alten Familiengemälde der Wi l mots: Nichts davon hatte man mitgenommen.
In ihrem Zimmer im Dachgeschoss wählt Misty die Nummer ihrer Mutter in Tecumseh Lake, es meldet sich aber nur die Ve r mittlung des Hotels. Eine Leitung sei unterbrochen, wird ihr g e sagt, die Reparatur sei aber schon im Gange. Das
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