Das letzte Relikt
sei?«, sagte Carter und zog unauffällig seinen Arm zurück.
»Kennen Sie den Unterschied zwischen einer unangefochtenen Zuschreibung und der Bezeichnung ›aus der Schule von …‹?«
»So aus dem Stegreif nicht.«
»Millionen, mein Junge, Millionen. Bei einem Ölgemälde wie diesem? Da geht es schnell um eine Differenz von fünfzehn, zwanzig Millionen Dollar.«
»Interessant«, sagte Carter und versuchte immer noch, sich in Richtung Treppe zu schieben.
»Beth hat einen neuen Kunden«, warnte Raleigh. »Ich muss Sie bitten, sie nicht zu stören, wenn sie mit ihm spricht.«
Das war es also. Carter war es nicht entgangen, dass Raleigh versuchte, ihn aufzuhalten, und jetzt kannte er den Grund dafür. Beth war Raleighs beste Angestellte, und er konnte stolz auf sie sein. Raleigh war brillant, wenn es darum ging, den Markt einzuschätzen und seine wohlhabenden Kunden zu verhätscheln, doch Beth verfügte über die eigentliche Expertise und ein tiefes Verständnis der Werke, ihrer Schöpfer und ihrer Provenienz.
»Ich tue einfach so, als sei ich ein Kunde.«
»Das würde Ihnen niemand abnehmen«, sagte Raleigh über die Schulter, während er rasch zur Tür strebte, durch die gerade eine reiche junge Tussi hereinschwebte. »Mrs Metzger!«, flötete er, »wie schön, dass Sie es einrichten konnten, kurz hereinzuschauen.«
Carter umfasste das Messinggeländer und stieg die breite, mit rotem Teppich ausgelegte Treppe nach oben. Im Zwischengeschoss waren die Büros versteckt, und vom Treppenabsatz aus führte eine zweite Treppe in die obere Galerie. Er konnte Beth hören, ehe er sie sah, als sie gerade etwas zum Thema Zeichenkunst erklärte.
Am Eingang zur Galerie blieb er stehen, noch im Schatten des Treppenaufgangs verborgen. Beth hatte ihm den Rücken zugewandt, und der Kunde stand neben ihr. Sie trug ihre übliche Arbeitskleidung, einen engen schwarzen Hosenanzug mit weißer Seidenbluse. Ein schwarzes Band hielt ihr Haar in einem kurzen Pferdeschwanz zusammen. Sie nannte es ihren Smoking und sagte, sie trüge ihn aus dem gleichen Grund wie die Männer: um mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Der Typ neben ihr hingegen würde mit gar nichts verschmelzen. Er war groß und kräftig, mit kurzem borstigem Haar, und trug einen langen Regenmantel aus einem glänzenden, metallisch schimmernden Stoff.
Während Beth auf verschiedene Aspekte der Zeichnungen hinwies, die vor ihnen auf dem breiten Tisch ausgebreitet waren, musste Carter feststellen, dass der Mann wesentlich mehr Zeit damit verbrachte, Beth zu beobachten anstelle der Zeichnungen. Vielleicht hatte Raleigh es aus diesem Grund so eingerichtet, dass Beth sich um diesen speziellen Kunden kümmern sollte, und dann auch noch in der relativen Ungestörtheit der oberen Galerie. Möglicherweise zählte er darauf, dass ein wenig Erotik helfen könnte, heute ein Geschäft für die Galerie abzuschließen.
»Der große Wert von Zeichnungen«, sagte Beth gerade, »besonders, wenn es sich um Studien und Skizzen handelt, liegt darin, dass man die Hand des Künstlers völlig frei bei der Arbeit sieht. Er arbeitet schnell, improvisiert, probiert aus.«
Der Mann streckte die Hand aus und berührte ihr Gesicht, um ihr, wie Carter annahm, eine Haarsträhne aus der Stirn zu streichen.
Beth verstummte und wirkte einen Moment lang verwirrt.
»Das Haar war im Weg. Ich konnte Ihre Augen nicht mehr sehen.«
»Äh, danke. Aber vielleicht sollten wir uns besser auf die Zeichnungen konzentrieren.«
Carter nahm das als sein Stichwort, weitere Aufmunterungen brauchte er bestimmt nicht. Er räusperte sich geräuschvoll und betrat die Galerie. »Ich hoffe, ich unterbreche keine Verhandlungen«, verkündete er.
»Was für eine Überraschung«, sagte Beth mit Erleichterung in der Stimme.
Carter legte einen Arm um sie und küsste sie auf die Wange, dann wandte er sich mit ausgestreckter Hand an den Kunden.
»Carter Cox, Beths Gatte.«
»Bradley Hoyt«, sagte der Mann und schüttelte ihm die Hand.
»Mr Hoyt möchte sich eine Sammlung Alter Meister zulegen«, erklärte Beth.
»Und Beth sorgt dafür, dass ich nur das richtige Zeug kaufe.«
»Eine bessere Ratgeberin bekommen Sie nicht«, sagte Carter und drückte ihre Schulter. »Aber warum Alte Meister?«, sagte Carter. Jetzt, bei genauerer Betrachtung, nahm er den eigenartigen grau-grünen Schimmer des Regenmantels wahr.
»All meine Freunde kaufen dieses riesige Zeugs, neuen Kram, aber die Preise schießen im Moment in den
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