Das letzte Revier
ob das Opfer die Kontrolle über seine Blas e verlor, weil es Todesängste ausstand. »Erinnert sich die Frau, Mrs. Kiffin, ob er diese Sachen trug, als er eincheckte?«, frage ich, während ich Taschen umstülpe, die allesamt nichts enthalten. »Danach habe ich sie nicht gefragt«, antwortet Stanfield. »Er hat also nichts in den Taschen. Das ist aber auch etwas ungewöhnlich.«
»Am Tatort hat niemand sie kontrolliert?«
»Also, um ehrlich zu sein, ich habe die Kleidung nicht eingetütet. Das hat ein Kollege gemacht, aber ich bin sicher, dass niemand in die Taschen geschaut oder zumindest keine persönlichen Papiere gefunden hat, sonst wüsste ich das und hätte sie dabei«, sagt er. »Wie wäre es, wenn Sie Mrs. Kiffin anrufen und sie fragen, ob er diese Sachen trug, als er ankam?«, lege ich ihm höflich nahe, seinen Job zu tun. »Und was ist mit einem Auto? Wissen wir, wie er zu dem Motel kam?«
»Bislang haben wir kein Fahrzeug gefunden.«
»Seine Kleidung passt auf jeden Fall nicht zu einem billigen Motel, Detective Stanfield.« Ich skizziere eine Hose auf einem Bekleidungsdiagramm.
Das schwarze Jackett und das schwarze T-Shirt sowie der Gürtel, die Schuhe und die Socken sind teure Designersachen, und das lässt mich an Jean-Baptiste Chandonne denken, dessen einzigartiges babyfeines Haar sich überall auf Thomas' verwesender Leiche fand, als sie Anfang des Monats im Hafen von Richmond auftauchte. Ich erwähne Stanfield gegenüber die Ähnlichkeit der Kleidung. Im Augenblick gehen wir davon aus, erkläre ich weiter, dass Jean-Baptiste seinen Bruder Thomas wahrscheinlich in Antwerpen, Belgien, ermordete und mit ihm die Kleider tauschte, bevor er seine Leiche in einen Container mit dem Bestimmungsort Richmond verfrachtete.
»Weil Sie diese ganzen Haare gefunden haben, von denen ich in der Zeitung gelesen habe?« Stanfield versucht zu verstehen, was auch dem erfahrensten Ermittler, den nichts meh r überraschen kann, nicht leicht fallen würde. »Das und die Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchungen, die auf Diatome - Algen - hinweisen, wie sie typisch sind für ein Gebiet der Seine nahe dem Haus der Chandonnes auf der Ile Saint-Louis in Paris.« Stanfield kann mir nicht folgen. »Detective Stanfield, ich kann Ihnen nur so viel sagen, dass dieser Mann« - ich meine Jean-Baptiste Chandonne - »eine sehr seltene Erbkrankheit hat und angeblich häufig in der Seine gebadet hat, vielleicht weil er glaubte, dass ihn das heilen würde. Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Kleidung, die sein toter Bruder trug, ursprünglich Jean-Baptiste gehörte. Ergibt das einen Sinn?« Ich zeichne einen Gürtel und kennzeichne das am häufigsten benutzte Loch. »Um die Wahrheit zu sagen«, erwidert Stanfield, »ich habe nur von diesem sonderbaren Fall und diesem Werwolf-Kerl gehört. Ich meine, man hört und liest nichts anderes, wenn man das Fernsehen einschaltet oder eine Zeitung aufschlägt, aber das wissen Sie vermutlich, und übrigens, es tut mir sehr Leid, was Sie durchmachen mussten, und um die Wahrheit zu sagen, es ist mir ein Rätsel, wie Sie es schaffen, zu arbeiten und klar zu denken. Himmel noch mal!« Er schüttelt den Kopf. »Meine Frau hat gesagt, wenn so jemand vor unserer Tür stünde, brauchte er ihr gar nichts anzutun. Sie würde einfach an einem Herzinfarkt sterben.« Ich höre leisen Zweifel heraus, was mich anbelangt. Er fragt sich, ob ich im Moment wirklich noch rational denke, oder ob ich projiziere - ob ich nicht alles, was derzeit passiert, irgendwie mit Jean-Baptiste Chandonne in Verbindung bringe. Ich nehme das Bekleidungsdiagramm aus dem Clipboard und lege es zu John Does anderen Papieren, während Stanfield eine Nummer wählt, die er von seinem Notizblock abliest. Ich sehe ihm zu, wie er einen Finger in sein freies Ohr steckt und blinzelt, als würde es seinen Augen wehtun, dass Turk einen weiteren Schädel aufsägt. Ich kann nicht hören, was Stanfield sagt. Er legt auf und kommt zu mir, während er das Displa y seines Pagers abliest. »Gute und schlechte Nachrichten«, verkündet er. »Die Frau, Mrs. Kiffin, sagt, sie erinnert sich, dass er wirklich gut angezogen war, mit einem dunklen Anzug. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass er einen Schlüssel in der Hand hatte, einen dieser Fernbedienungsschlüssel, wie sie viele dieser neuen, teuren Wagen haben.«
»Aber wir haben keinen Wagen gefunden«, sage ich.
»Nein, Ma'am, kein Wagen. Und auch keinen Schlüssel«,
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