Das letzte Revier
größte Sorge.
»Wir werden einen HIV-Test machen«, sage ich. Stanfield weicht einen Schritt zurück, als ich die dreieckige Brustplatte von den Rippen trenne. Das ist der Augenblick für Laura Turkels Auftritt. Sie ist eine Leihgabe der Gräberregistrierungsstelle der Fort-Lee-Militärbasis in Petersburg. Sie ist außerordentlich aufmerksam und diensteifrig und salutiert nahezu, als sie plötzlich am Ende des Tisches auftaucht. Turk, wie sie von allen genannt wird, spricht mich immer mit »Chefin« an. Vermutlich ist Chefin ein Rang für sie, Doktor dagegen nicht. »Sind Sie so weit, dass ich seinen Schädel öffnen kann, Chefin?« Ihre Frage klingt wie eine Ankündigung, die keine Antwort erfordert. Turk ist wie viele der Frauen aus der Armee, die hier arbeiten, hart gesotten, dienstbeflissen und schnell darin, die Männer zu ignorieren, die häufig genug tatsächlich die zimperlichen sind. »Die Dame, die Dr. Chong bearbeitet«, sagt Turk, als sie die Stryker-Säge an eine Steckdose in der Leiste über unseren Köpfen anschließt, »sie hat ein Schriftstück aufgesetzt, in dem steht, dass ihr Leben nicht künstlich verlängert werden soll, und sie hat ihre eigene Todesanzeige verfasst. Hat ihre Versicherungspapiere geordnet, alles. Hat das Ganze in einen Ordner getan und zusammen mit ihrem Ehering auf den Küchentisch gelegt, bevor sie sich selbst auf die Decke gelegt und in den Kopf geschossen hat. Können Sie sich das vorstellen? Wirklich traurig.«
»Sehr traurig.« Die inneren Organe sind ein schimmernde r Block, den ich als ganzen heraushebe und auf einem Schneidbrett ablege. »Wenn Sie noch länger hier bleiben wollen, sollten Sie sich wirklich was überziehen«, sage ich zu Stanfield. »Hat Ihnen jemand gezeigt, wo die Sachen im Umkleideraum sind?« Er starrt ausdruckslos auf die Manschetten meiner blutgetränkten Ärmel, auf die Blutflecken vorn auf meinem Kittel. »Ma'am, wenn's Ihnen recht ist, würde ich kurz durchgehen, was ich an Informationen habe«, sagt er. »Vielleicht könnten wir uns einen Augenblick setzen? Dann muss ich weiter, bevor das Wetter noch schlechter wird. Bald wird man den Schlitten vom Weihnachtsmann brauchen, um irgendwohin zu kommen.« Turk nimmt ein Skalpell und bringt an der Rückseite des Kopfes von Ohr zu Ohr einen Schnitt an. Sie hebt die Kopfhaut an und zieht sie nach vorn, und das Gesicht erschlafft, kollabiert in tragischem Protest, bevor sie es zurückschlägt und es daliegt wie eine auf links gedrehte Socke. Der freigelegte Schädel glitzert weiß, und ich sehe ihn mir genau an. Keine Hämatome. Keine Einkerbungen oder Frakturen. Die Stryker klingt wie eine Mischung aus einer Motorsäge und dem Bohrer eines Zahnarztes. Ich ziehe die Handschuhe aus und werfe sie in einen roten Abfalleimer für biologisch risikoträchtigen Müll. Ich bedeute Stanfield, mir zu der Abstellfläche zu folgen, die die ganze Länge der Wand gegenüber den Autopsietischen einnimmt. Wir setzen uns auf zwei Stühle. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Ma'am«, beginnt Stanfield und schüttelt dabei langsam den Kopf. »Wir haben keine Ahnung, wo wir bei diesem Fall anfangen sollen. Im Augenblick kann ich Ihnen nur sagen, dass der Mann« - er deutet auf die Leiche auf dem Tisch - »gestern Nachmittag um drei im Fort James Motel and Camp Ground abgestiegen ist.«
»Wo genau ist das Fort James Motel?«
»An der Route Five West, keine zehn Minuten von der William and Mary entfernt.«
»Haben Sie mit jemandem von der Rezeption des Motel s gesprochen?«
»Ja, Ma'am, mit der Frau im Büro.« Er öffnet einen großen Umschlag und schüttelt eine Hand voll Polaroidfotos heraus. »Sie heißt Bev Kiffin.« Er buchstabiert den Namen, holt eine Lesebrille aus einer Jackentasche, seine Hände zittern leicht, als er in einem Notizblock blättert. »Sie hat gesagt, dass der junge Mann reingekommen ist und das Sechzehn-Null-Sieben-Spezial wollte.«
»Wie bitte? Das was?« Ich halte inne im Notizenmachen. »Einhundertsechzig Dollar und siebzig Cent von Montag bis Freitag. Das sind fünf Nächte. Sechzehn-Null-Sieben. Normalerweise kostet das Zimmer sechsundvierzig Dollar pro Nacht, was ziemlich viel ist für so eine Kaschemme, wenn Sie mich fragen. Eine typische Touristenfalle.«
»Sechzehn-Null-Sieben? Wie das Jahr, in dem Jamestown gegründet wurde?« Merkwürdig, dieser Bezug zu Jamestown. Erst gestern Abend habe ich Anna gegenüber Jamestown erwähnt, als ich über Benton sprach.
Stanfield nickt
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