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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Erinnerung rufen, dass Berger am Leben und wohlauf ist und zusammen mit mir am Tisch in meinem Besprechungszimmer sitzt. Es ist Donnerstagabend. In vier Stunden werden genau fünf Tage vergangen sein, seit Chandonne sich Zutritt zu meinem Haus verschaffte und versuchte, mich mit einem Maurerhammer zu erschlagen. »Es gab Phasen, in denen mein Zustand nicht so schlimm war wie jetzt.« Chandonne hat sich wieder gefangen. Er ist erneut so höflich wie zuvor. »Stress macht es schlimmer. Ich war unter großem Stress. Wegen dieser Leute.« »Und wer sind diese Leute?«
    »Die amerikanischen Agenten, die mir eine Falle gestellt haben. Als mir klar wurde, was passierte, dass sie mir eine Falle stellten, damit man mich für einen Mörder hielt, musste ich fliehen. Mein Zustand verschlechterte sich wie nie zuvor, und je schlimmer er wurde, umso mehr musste ich mich verstecken. Ich habe nicht immer so ausgesehen.« Seine dunklen Gläser sind leicht von der Kamera abgewandt, während er Berger anstarrt. »Als ich Susan kennen lernte, sah ich völlig anders aus. Ich konnte mich rasieren. Ich hatte Jobs und schaffte es, gut auszusehen. Und ich hatte Kleidung und Geld, weil mein Bruder mir manchmal aushalf.«
    Berger hält das Band an und wendet sich an mich. »Stimmt die Sache mit dem Stress?«
    »Stress macht in der Regel alles schlimmer«, sage ich. »Aber dieser Mann hat nie gut ausgesehen. Gleichgültig, was er behauptet.«
    »Sie sprechen von Thomas«, fährt Bergers Stimme auf Band fort. »Thomas gab Ihnen Kleidung, Geld, vielleicht auch andere Dinge?«
    »Ja.«
    »Sie sagen, dass Sie an dem Abend im Lumi einen schwarzen Anzug trugen. Hat Ihnen Thomas den Anzug gegeben?«
    »Ja. Er mochte gute Kleidung. Wir waren ungefähr gleich groß.«
    »Und Sie aßen mit Susan. Und dann? Was geschah, als Sie mit dem Essen fertig waren? Zahlten Sie die Rechnung?«
    »Selbstverständlich. Ich bin ein Gentleman.«
    »Wie hoch war die Rechnung?«
    »Zweihunderteinundzwanzig Dollar, ohne Trinkgeld.« Berger bestätigt, was er sagt, während sie unverwandt auf den Bildschirm blickt. »Genauso hoch war die Rechnung. Der Mann bezahlte bar und ließ zwei Zwanzig-Dollar-Scheine auf dem Tisch liegen.«
    Ich frage Berger, wie viel die Öffentlichkeit über das Restaurant, die Rechnung, das Trinkgeld erfuhr. »Wurde darüber in den Nachrichten berichtet?«, frage ich sie.
    »Nein. Wenn er also nicht der Mann war, woher zum Teufel wusste er, wie hoch die verdammte Rechnung war?« Frustration sickert in ihre Stimme.
    Auf dem Video fragt sie Chandonne nach dem Trinkgeld. Er behauptet, vierzig Dollar zurückgelassen zu haben. »Zwei Zwanziger, glaube ich«, sagt er. »Und dann? Verließen Sie das Restaurant?«
    »Wir beschlossen, in ihrer Wohnung noch etwas zu trinken«, sagt er.

14
     
    Chandonne lässt sich an dieser Stelle lang und breit aus. Er behauptet, mit Susan Pless das Lumi verlassen zu haben. Es war sehr kalt, aber sie entschlossen sich, zu Fuß zu gehen, weil Susans Wohnung nur ein paar Blocks von dem Restaurant entfernt war. Er beschreibt den Mond und die Wolken auf sensible, nahezu poetische Weise. Der Himmel war gestreift mit breiten Strichen wie von bläulich weißer Kreide, und der Mond war voll, wenn auch teilweise verdeckt. Der Vollmond hat ihn sexuell immer erregt, sagt er, weil er ihn an einen schwangeren Bauch, an Pobacken, an Brüste erinnert. Windböen rauschten um große Wohnhäuser, und irgendwann legte er seinen Schal um Susans Schultern, damit sie nicht fror. Er behauptet, einen langen, dunklen Kaschmirmantel getragen zu haben, und ich muss an die Direktorin der französischen Gerichtsmedizin denken, Dr. Ruth Stvan, und an ihren Bericht von ihrer Begegnung mit dem Mann, von dem wir glauben, dass es Chandonne war.
    Vor nicht einmal zwei Wochen besuchte ich Dr. Stvan im Institut Medico-Legal, weil Interpol mich gebeten hatte, die Pariser Fälle mit ihr durchzugehen, und während dieses Gesprächs erzählte sie, dass eines Abends ein Mann vor ihrer Tür stand, der angeblich Probleme mit seinem Auto hatte. Er bat sie, ihr Telefon benutzen zu dürfen. Er trug einen langen, dunklen Mantel und trat sehr höflich auf. Aber Dr. Stvan sagte noch etwas anderes, nämlich dass der Mann einen seltsamen, überaus unangenehmen Körpergeruch verströmte. Er roch wie ein schmutziges, nasses Tier. Und er machte sie misstrauisch, sehr misstrauisch. Er war ihr nicht geheuer. Trotzdem hätte sie ihn eingelassen, oder, wahrscheinlicher noch, er

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