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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nickt Richtung Fernseher. »Und Sie hier haben Bruder Thomas untersucht, nicht wahr? Und seine DNS stimmt nicht mit der von Chandonne überein, was bedeutet, dass die Samenflüssigkeit nicht von Thomas stammen kann.«
    »Ihre DNS-Profile sind sich sehr ähnlich, aber nicht identisch«, stimme ich ihr zu. »Das wären sie nur, wenn die Brüder eineiige Zwillinge wären, was sie nicht sein können.«
    »Woher weißt du das so genau?« Marino runzelt die Stirn. »Wenn Thomas und Jean-Baptiste eineiige Zwillinge wären«, erkläre ich, »dann hätten beide Hypertrichose. Nicht nur einer von beiden.«
    »Wie erklären Sie es sich also?«, fragt mich Berger. »Eine genetische Übereinstimmung in allen Fällen, aber die Beschreibungen der Mörder scheinen darauf hinzuweisen, dass es nicht ein und dieselbe Person war.«
    »Wenn die DNS im Fall Susan Pless mit Jean-Baptiste Chandonnes DNS übereinstimmt, dann kann ich es nur so erklären, dass der Mann, der um halb vier Uhr früh ihre Wohnung verließ, nicht der Mann war, der sie umbrachte«, sage ich. »Chandonne hat sie umgebracht. Aber der Mann, mit dem die Zeugen sie gesehen haben, ist nicht Chandonne.«
    »Vielleicht vögelt der Wolfsmann doch hin und wieder«, fügt Marino hinzu. »Oder versucht es, und wir wissen es nicht, weil er keinen Saft zurücklässt.«
    »Und dann was?«, fordert Berger ihn heraus. »Zieht ihnen die Hose wieder an? Zieht sie nach der Tat von der Taille abwärts wieder an?«
    »Wir haben es nicht mit jemandem zu tun, der die Dinge auf normale Weise macht. Ach, bevor ich's vergesse.« Er sieht mich an. »Eine der Krankenschwestern hat gesehen, was er in der Hose hat. Nicht gestutzt.« Marinos Ausdruck für nicht beschnitten. »Und kleiner als ein verdammtes Wiener Würstchen.« Er führt es uns vor, indem er Daumen und Zeigefinger ungefähr drei Zentimeter auseinander hält. »Kein Wunder, dass der Kerl die ganze Zeit so schlecht gelaunt ist.«

13
     
    Ein Druck auf die Fernbedienung, und wieder habe ich die Betonwände des Verhörraums in der forensischen Abteilung des MCV vor mir. Ich sehe erneut Jean-Baptiste Chandonne, der uns glauben machen will, dass er seine einzigartig grässliche Erscheinung in elegantes, gutes Aussehen verwandeln kann, wenn ihm danach ist, auszugehen und eine Frau aufzugabeln. Unmöglich. Sein Torso füllt den Bildschirm aus, als er zum Stuhl geführt wird, und als sein Kopf auftaucht, muss ich erschrocken feststellen, dass ihm der Verband abgenommen wurde und seine Augen jetzt von einer dunklen Brille geschützt werden, wie man sie auf einer Sonnenbank trägt, die Haut darum herum von einem wunden Rot. Seine Augenbrauen sind lang und über der Nase zusammengewachsen, als ob jemand einen Streifen flaumiges Fell auf seine Stirn und Schläfen geklebt hätte.
    Berger und ich sitzen in meinem Besprechungszimmer. Es ist kurz vor halb acht abends, und Marino ist aus zwei Gründen gegangen: Er bekam die Nachricht, dass die Leiche, die in Mosby Court gefunden wurde, möglicherweise identifiziert ist, und Berger bat ihn, nicht wiederzukommen. Sie sagte, sie wolle eine Weile mit mir allein sein. Ich glaube, dass sie ihn einfach satt hat, und ich kann es ihr nicht verdenken. Marino hat überdeutlich zu verstehen gegeben, dass er alles andere als einverstanden ist damit, dass und wie sie Chandonne verhört hat. Er ist schlichtweg neidisch. Kein Polizist auf diesem Planeten, der einen so berüchtigten, monströsen Mörder nicht verhören wollte. Nur leider hat sich das Biest für die Schöne entschieden, und Marino kocht innerlich. Während ich zuhöre, wie Berger Chandonne vor der Kamera noch einmal daran erinnert, dass er über seine Rechte aufgeklärt wurde und zugestimmt hat , weiterhin mit ihr zu sprechen, verfestigt sich in mir eine grauenhafte Erkenntnis. Ich bin ein kleines Geschöpf, das in einem Spinnennetz gefangen wurde, einem bösartigen Netz von Fäden, die sich als Längen- und Breitengrade um den Globus spannen. Chandonnes Versuch, mich zu ermorden, war nur ein Nebenprodukt dessen, worum es ihm eigentlich geht. Ich war nur amüsantes Spiel. Wenn er sich ausgerechnet hat, dass ich dieses Video sehe, dann amüsiere ich ihn nach wie vor. Nichts weiter. Wenn es ihm gelungen wäre, mich in Stücke zu reißen, dann würde er sich jetzt bereits auf jemand anders konzentrieren, und ich wäre nichts weiter als ein kurzer, blutiger Augenblick, ein vergangener, feuchter Traum in seinem hassenswerten, höllischen Leben. »Und

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