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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Sutcliffe wieder sprechen konnte, klang es gefährlich ruhig.
    »Ich kenne Ihren Bericht über diese sogenannte holländische Fregatte und Ihre Überzeugung, daß der Feind vorhat, unsere Kräfte zu zersplittern. Doch hier werden Sie mir gehorchen. Segeln Sie Ihre Patrouillen, drillen Sie Ihre Männer. Das ist sinnvoll. Aber falls Sie mich hintergehen, schicke ich Sie zur Hölle.«
    »Wahrscheinlich, Mylord.« Bolitho erhob sich und wartete auf Jenour, damit dieser ihn hinausführte.
    »Ich habe Sie noch nicht entlassen, Sir!«
    Bedrückt drehte Bolitho sich wieder um. Es war so sinnlos. Wenn der größte Teil der Flotte in Jamaika lag, um dort den Feind abzuwehren, blieb Antigua offen für einen französischen Gegenangriff. Und alles, was ich habe, sind sechs Schiffe, dachte er und sagte: »Ich glaube, der Feind wird uns hier angreifen, Mylord.«
    »Hier in Antigua? Oder in St. Kitts vielleicht? Wo denn noch?« Sutcliffe lachte schrill und würgte dann wieder, dieses Mal ohne Ende.
    Bolitho fand die Tür offen. Im Dämmerlicht des Flurs erkannte er Jenours besorgtes Gesicht. Draußen wartete der Arzt auf sie, hielt sich abseits von den anderen, als wüßte er, was sie erlebt hatten.
    »Wie lange lebt er noch, Doktor?« Bolitho hörte, daß Sutcliffe klingelte, und sah die Diener zögern. »Können Sie mir das sagen?«
    Wieder hob der Arzt die Schultern. »Hier draußen sterben jeden Tag Männer, Frauen und Kinder – leise und ohne Klagen. Es ist Gottes Wille, sagen sie. Ich habe mich daran gewöhnt, aber ich akzeptiere es nicht.« Er dachte über Bolithos Frage nach. »Das ist unmöglich zu beantworten. Morgen, vielleicht erst in einem Monat. Vielleicht noch später. Schließlich wird er nicht mal mehr seinen eigenen Namen wissen.«
    »Dann sind wir erledigt.« Bolitho spürte Wut in sich aufsteigen. Tausende Männer verließen sich auf Lord Sutcliffe. Wenn die Welt weiter seine Lügen glaubte, dann würde es heißen, es sei seine Liebe zur Pflicht gewesen, die ihn ausgehöhlt und ins Grab gebracht hatte.
    Ein paar Augenblicke standen Bolitho und Jenour auf dem heißen Anlegesteg, während die Barkasse längsseits kam. In der gleißenden Sonne warteten die Offiziere, die ihn begrüßt hatten, in diskreter Entfernung. Wahrscheinlich waren sie froh, daß er an Bord zurückkehrte. Er war in die geschlossene Welt hier eingedrungen, dabei konnte nur Routine sie retten. Sutcliffe würde sterben, und nach einem offiziellen Begräbnis würde ein neuer Admiral kommen. Das Leben ging weiter.
    »Nun, Stephen, was halten Sie davon?«
    Jenour sah aufs Meer. »Lord Sutcliffe weiß ganz genau, daß er immer noch den Oberbefehl hat.«
    »Ich muß es genauer wissen, Stephen. Ich will meine eigene Einschätzung an Ihrer überprüfen, damit ich in keine Falle laufe.«
    Jenour biß sich auf die Lippen. »Keiner der Herren hier wird es wagen, sich gegen ihn zu wenden. So oder so, Lord Sutcliffe bestimmt, was aus ihnen wird. Sich gegen ihn zu stellen, sähen sie als Verrat, als Meuterei an.« In seinem offenen Gesicht spiegelte sich Sorge. »Niemand wird Sie unterstützen, Sir Richard. Ihr Geschwader, Ihre Kommandanten erwarten, daß Sie für sie alle handeln.«
    Bitter stimmte Bolitho zu: »Ja. Und daß ich sie auffordere, für mich zu sterben.« Er drehte sich zur Seite, als die Barkasse festmachte. »Was wird Konteradmiral Herrick tun? Sagen Sie es mir, raten Sie mir als Freund.«
    »Er wird nichts unternehmen. Er hat schon einmal ein Kriegsgericht riskiert.« Jenour sah den Schmerz in Bolithos Augen. »Das wird er nie wieder tun.«
    Allday trat auf den Anleger, nahm den Hut ab und erkannte sofort Bolithos Besorgnis und die seines Flaggleutnants.
    Bolitho kletterte nach Jenour an Bord und nahm im Heck Platz. Zum zweiten Mal hatte Stephen ihn heute überrascht. Und er wußte, daß er wieder recht hatte.

Schiffe, die vorüberziehen
    Bolitho ging an Deck und genoß den Geschmack von Catherines Kaffee auf der Zunge. Keen ließ gerade die Mannschaften an den Zwölfpfündern exerzieren. Als Bolitho an die Reling des Achterdecks trat, merkte er, daß man ihm nur noch gelegentlich nachschaute. Sie hatten sich mittlerweile daran gewöhnt, daß der Vizeadmiral sich lässig nur in Hemd und Hose kleidete. Es gefiel Bolitho, daß Keen dies auch seinen Offizieren nahegelegt hatte. Vielleicht konnte man sie deswegen nicht leichter ansprechen, aber sie sahen eher wie menschliche Wesen aus.
    Keen lächelte. »Segel in Sicht, Sir. Eben sichtbar über

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