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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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benötigt.« Er zuckte mit den Schultern. »Also brachten wir sie nach Antigua zurück.«
    »Wie geht es Lord Sutcliffe?«
    Esse sah ihn ausdruckslos an. »Er lebt noch, Sir Richard, aber er ließ mich nicht rufen.« Er sah Bolithos Enttäuschung.
    »Ein Schnellsegler kam mit Post aus England. Hier sind Briefe für Sie.«
    Bolitho legte die Hand auf die Leinentasche. Briefe von Catherine, wenigstens einer. Aber nichts Neues vom Feind. Bildete er sich die Gefahr etwa nur ein? Hatte die Reise in der offenen Jolle sein Urteilsvermögen beeinträchtigt?
    Vor drei Monaten waren sie in Spithead ankerauf gegangen, das schien ihm eine Ewigkeit her zu sein. Und noch immer kämpfte Sutcliffe gegen den Tod. Bolitho fragte sich, wie Herrick es fertigbrachte, mit dem Sterbenden nicht aneinander zu geraten.
    Da rief Esse aus: »Fast hätte ich’s vergessen, Sir Richard!
    Als wir ankerauf gingen, lief die
Anemone
ein. Ich konnte leider Kapitän Bolitho nicht mehr sprechen, aber ich nehme an, er hatte Depeschen für Lord Sutcliffe an Bord. Er rief mir von Bord etwas zu, aber ganz habe ich’s nicht verstanden.«
    »Seltsam, ich dachte an meinen Neffen, als ich Ihr Schiff auf uns zukommen sah. Warum ist er hier? Es muß einen wichtigen Grund geben.«
    Die unbeantwortete Frage hing in der heißen Luft der Kajüte. Depeschen für den Admiral? Die Admiralität wußte nichts von Sutcliffes Zustand.
    Bolitho blieb beharrlich. »Können Sie sich an etwas erinnern, das Ihnen zugerufen wurde?«
    Esse zog die Stirn so kraus, daß seine grauen Augen fast verschwanden. »Da es unser Geschwader nicht betraf, Sir Richard, habe ich nicht aufmerksam hingehört.«
    »Was haben Sie verstanden?«
    »Irgendwas von der Heimat. Über Schiffe des Feindes, die sich dort frei bewegen …«
    »Mein Gott!«
    Bolitho sah Ozzard durch die Luke blicken. »Bitte den Kommandanten und den Flaggleutnant zu mir.« Dem erstaunten Esse sagte er: »Sie bekommen meine Befehle gleich schriftlich. Sie werden in aller Eile nach English Harbour zurückkehren, dort Konteradmiral Herrick aufsuchen und sicherstellen, daß Abschriften meiner Depeschen sofort nach Saint Kitts und nach London befördert werden.« Er drehte sich um, damit Esse seine Verzweiflung nicht sah. London? Bei dem, was er von dort zu erwarten hatte, hätte es auch auf dem Mond liegen können.
    Als Keen und Jenour eintraten, sagte Bolitho knapp: »Adam ist aus England gekommen. Mit Depeschen von der Admiralität, ganz ohne Zweifel. Sie würden sonst keine Fregatte auf den Weg schicken.«
    Keen antwortete eher leise: »Aber genau wissen wir es nicht, Sir.«
    »Meine Verantwortung, Val.« Er versuchte zu lächeln – vergeblich. Man hatte in den letzten Monaten immer wieder gehört, daß die Franzosen ihre Geschwader in der Karibik heimlich verstärkten. Nun waren die Briten soweit, in ein paar Wochen wollten sie einen kombinierten Angriff von Marine- und Landtruppen auf Martinique beginnen. Aber wenn ein Teil der englischen Truppen in Jamaika zurückgehalten wurde … Es lief ihm kalt über den Rücken. Ein Massaker, wie es Herrick erlebt hatte, würde sich dann vor Martinique wiederholen.
    Leise sagte er zu Esse: »Sorgen Sie dafür, daß Konteradmiral Herrick mich genau versteht: Jedes Schiff und jede Garnison muß uns zur Verfügung stehen. Denn wenn der Feind unsere Invasion von Martinique abwehren kann, wird er selber sofort Antigua angreifen.«
    Esse nickte. »Ich werde mein Bestes tun.«
    »Dann verlassen Sie mich jetzt bitte. Ich habe zu diktieren.« Allein mit Keen und Jenour, frage Bolitho: »Sie halten mich für verrückt?«
    Das Schiff rollte leicht in der sanften Dünung, und an Oberdeck ertönte das Quietschen der Lafetten, schallten Rufe und das Stampfen von Füßen. Sedgemore exerzierte immer noch mit der Batterie.
    »Überhaupt nicht, Sir.« Keen machte eine Pause. »Doch wir müssen uns darüber klar sein, daß alles nur auf Annahmen beruht.«
    »Möglich. Aber wir wissen aus der letzten Woche, daß sich hier unten kein Feind bewegt hat. Also müssen seine Schiffe woanders liegen, stimmt’s?«
    »Wenn der Feind überhaupt in diesem Teil der Welt ist, Sir.« Bolitho schritt in seiner Kajüte auf und ab. Warum sollte er sich den Kopf zerbrechen für einen verrückten Vorgesetzten, der in jeder Eigeninitiative, selbst in der eines Vizeadmirals, nur groben Ungehorsam sah? Was für ein groteskes Bild würde es sein, wenn Herrick bei einer Kriegsgerichtsverhandlung gegen Bolitho als Zeuge

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