Das letzte Riff
aufträte?
An Keen gerichtet, sagte er: »Lassen Sie uns wieder Fahrt aufnehmen, Val. Die beiden anderen Schiffe folgen im üblichen Abstand. Wir laufen heute nacht durch die Passage bei Saint Lucia. Das ist ein längerer Schlag, aber wir finden dort besseren Wind. Wenn wir Glück haben, treffen wir dort auf Kapitän Crowfoot und seine Schiffe. Auch
Tybalt
wird dann wieder zu uns gestoßen sein. Wenn nicht …« Mehr zu sagen war unnötig.
Keen antwortete: »Ich bin bereit, Sir.«
Bolitho lächelte ihn an. »Auch für die letzte Schlacht, notfalls vor den Toren der Hölle, nicht wahr, Val?«
»Ja«, sagte Keen einfach. »Immer.«
Konteradmiral Thomas Herrick stand vor einem offenen Fenster und tupfte sich mit seinem Taschentuch den Schweiß vom Gesicht. Die Mittagshitze machte das Nachdenken schwer. Und die Mücken und anderen Insekten waren eine ständige Plage.
Kapitän John Pearse beobachtete ihn genau. Eigentlich war er verantwortlich für die Werft. Doch wegen der ekelerregenden Krankheit des Admirals war er jetzt Herricks Stellvertreter. Mit seinem Rang als Kapitän war Pearse zufrieden, höher würde er in der Marine nie klettern. Er hatte lange genug in Westindien gedient und war an die Tücken des Klimas gewöhnt. Auch konnte er den verschiedenen Krankheiten und Fieberattacken widerstehen, die jede Woche Bestattungen auf See oder Beerdigungen auf dem Friedhof der Garnison erforderten. Was machte Herrick bloß solche Sorgen? Sutcliffe starb, er mußte schließlich sterben, wenn sein Stab nicht genauso verrückt werden sollte wie er. Seine schreckliche Krankheit, die schwärenden Wunden, das Erbrochene und seine fast völlige Blindheit waren überall im Haus zu spüren.
Gerade eben war bei Herrick wieder ganz unvorhersehbar der Geduldsfaden gerissen. Ihm war gemeldet worden, daß die Fregatte
Tybalt
den Hafen verlassen hatte und auf dem Weg zu Bolithos Geschwader war. Gleichzeitig näherte sich eine andere Fregatte.
»Die
Anemone
, Sir, achtunddreißig Kanonen, Kommandant …« Weiter kam Pearse nicht. Herrick hatte ihn angefaucht: »Ich weiß, wer ihr Kommandant ist: Sir Richards Neffe. Verschwenden Sie also bitte meine Zeit nicht.«
Behutsam schlug Pearse vor: »Es wäre vielleicht klug, die
Tybalt
zurückzurufen, Sir. Die
Anemone
hat möglicherweise Nachrichten, die für Sir Richard Bolitho wichtig sind.«
Herrick sah, wie die beiden Fregatten auf sich kreuzenden Kursen aneinander vorbeifuhren und die Hafenbatterie sich für die Salutschüsse vorbereitete.
»Das glaube ich nicht.«
Die beiden Schiffe entfernten sich jetzt schnell voneinander. Warum kam Adam nach Antigua? Wie sollte es neue Nachrichten geben? Die
Black Prince
hatte doch die letzten mitgebracht. Er hörte die Diener endlich zum Admiral laufen. Todkrank an Leib und Seele, sollte er doch endlich sterben!
Pearse beschäftigte sich mit Papieren und blickte bedrückt zu Herrick hinüber. »Vielleicht haben die Franzosen die Waffen gestreckt, Sir.« Die Bemerkung tat ihm aber sofort wieder leid.
»Die Franzosen sollen die Waffen strecken? Völlig unmöglich – nie, Mann. Diese Barbaren kämpfen bis zum bitteren Ende, verdammt!«
Er zuckte zusammen, als die ersten Kanonenschüsse durch den Hafen hallten. Er trat ans Fenster und sah, wie die Fregatte sich dem Wachboot näherte. Die Brise war jetzt etwas frischer, vielleicht würde die Luft dadurch besser werden. Er sah den Pulverrausch niedrig übers Wasser treiben und dachte zurück an seine eigene Zeit auf Fregatten. Doch er selbst hatte nie eine kommandiert.
Adam hatte ihm damals den schrecklichen Tod von Dulcie gemeldet. Bei jedem anderen hätte er seine Bewegung verbergen können, jedenfalls eine gewisse Zeit. Aber Adam war ein Bolitho, auch wenn er den Namen nur von seinem Onkel übernommen hatte. Er war unehelich geboren, sein Vater war aus der Marine desertiert und zu den amerikanischen Rebellen übergelaufen. Und doch hatte das weder ein Schandmal auf den Bolithos hinterlassen noch ihren Aufstieg verhindert.
Es war so verdammt unfair. Dulcie hatte ihm alles geschenkt: Zähigkeit, Stolz, aber vor allem Liebe. Nur ein Kind war ihnen versagt geblieben. Herrick sah den Blitz des letzten Salutschusses, der fallende Anker warf Spritzer auf, die
Anemone
lag sicher im Hafen. Selbst Sir Richard und seine Frau Lady Belinda waren mit einem Kind gesegnet worden. Wie konnte er sich da von ihr abwenden, sie verlassen? Er dachte plötzlich an Catherine. Sie war bis zum letzten Augenblick
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