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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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seine Tasse leer und schaute nachdenklich vor sich hin. Dies war einer der schönsten Augenblicke des Tages, dachte er, in dem er Bolitho mit niemandem teilen mußte. Gleich würden die Leute wieder Schlange stehen: die Kommandanten des Geschwaders, Händler, die um ein paar Vergünstigungen baten oder um Begleitschutz für ihre Schiffe, geldgierige Verwaltungsbeamte von Werften, Magazinen und Verpflegungsdepots.
    Ozzard öffnete die Tür. »Der Kommandant, Sir!«
    Keen trat ein. »Tut mir leid, daß ich Ihren Frieden störe, Sir.« Er sah das Rasiermesser in Alldays Hand in der Luft hängen bleiben. Wie ein Mann mit solchen Fäusten so sanft und präzise rasieren konnte, war ihm ein Rätsel. Genau wie seine Schiffsmodelle. Keine Spiere, kein Block im falschen Maßstab – perfekt. Zu der Faust gehörte aber auch die andere Erinnerung: Allday, der auf der Jolle ein Messer in den Meuterer jagte und die zitternde Sophie zum Heck trug.
    »Was ist, Val?«
    »Konteradmiral Herricks Barkasse hat gerade von der Pier abgelegt, Sir.«
    Bolitho spürte Keens feindlichen Tonfall und bedauerte ihn zutiefst. Zwischen den beiden klaffte ein Riß, der sich nie mehr schließen würde. Eine Untersuchungskommission hatte unter Herricks Leitung zu prüfen gehabt, ob Keen damals richtig handelte, als er Zenoria von Bord eines Sträflingsschiffs geholt hatte. Fast wäre auch Catherine auf so einem Schiff deportiert worden. Bolitho verstand also sehr gut, warum Keen die Kommission unter Herrick immer noch voller Haß ablehnte, obwohl das nun Jahre her war.
    »Er ist eben früh auf und unterwegs, Val.« Er wartete, denn Keen hatte noch mehr Anliegen.
    »Der Gehilfe des Masters meldet, daß über der Batterie wieder die Flagge des Admirals gesetzt worden ist, Sir.«
    »Lord Sutcliffe ist da?« Er hörte Allday verblüfft Luft holen.
    Nach Herricks Bericht hatte er eigentlich nicht erwartet, daß Sutcliffe je wieder seinen Dienst aufnehmen konnte. »Informieren Sie bitte das Geschwader, Val. Ich möchte, daß dem Admiral die nötige Ehre erwiesen wird.«
    Als Herrick an Bord kam, war Bolitho schon in ein frisches Hemd und frische Kniestrümpfe geschlüpft. Formlos begrüßten sie sich in der großen Kajüte, und Herrick kam gleich zur Sache: »Der Lord kam heut’ nacht aus St. John’s runter.« Dankend lehnte er Ozzards Kaffee ab. »Er besteht darauf, dich zu sprechen.« Die blauen Augen wurden hart. »Ich bin ihm wohl nicht kompetent genug.«
    »Langsam, Thomas. Ich werde erst mal mit dem Garnisonsarzt sprechen.« Sein Blick suchte Jenour. »Bitte meine Barkasse, Stephen.« Ohne Zweifel hatte immer noch Lord Sutcliffe hier den Oberbefehl. Er konnte auch nicht abgesetzt werden, bloß weil ein Untergebener eine andere Ansicht und eine andere Strategie für richtig hielt.
    Herrick stand breitbeinig vor den offenen Fenstern. »Hüte dich vor Böen, würde ich dir raten.«
    Bolitho hörte das ferne Quietschen von Blöcken. Seine Barkasse wurde wohl zu Wasser gelassen. Vielleicht besaß Sutcliffe vertrauliche Informationen? Oder wußte er etwas über die Bewegungen des Feindes? Aber das war unwahrscheinlich. Wenn die Franzosen in der Karibik tatsächlich bedeutende Schiffsverbände unterhielten, mußten sie die gut versteckt haben.
    Dumpf meinte Herrick: »Und ich soll dich begleiten.«
    Jenour gab von der anderen Tür her ein Zeichen, daß die Barkasse bereitlag.
    »Das ist wenigstens eine erfreuliche Nachricht, Thomas«, sagte Bolitho.
    Herrick nahm seinen Hut auf und folgte ihm. Dabei kam er an dem Weinkühler vorbei, den Catherine hatte anfertigen lassen. Das Wappen der Bolithos schmückte ihn als Intarsie in drei verschiedenen Holzarten. Herrick hielt einen Augenblick davor an und sagte: »Das hatte ich vergessen.« Weiter erklärte er sich nicht.
    Das Schrillen der Bootsmannspfeifen schien noch in der Luft zu hängen, als die Barkasse aus dem Schatten des Flaggschiffs glitt und die Hitze des Tages sie überfiel. Alle an Bord schwiegen.
    Jeder Kommandant wußte jetzt, daß Bolitho aus offiziellem Anlaß an Land ging. Er sah Sonnenlicht sich auf vielen Teleskoplinsen spiegeln und musterte die
Sunderland,
die
Glorious
und die alte
Tenacious,
die von Stapel gelaufen war, als Bolitho mit zwölf Jahren in die Marine eintrat. Er lächelte grimmig. Und beide sind wir noch da.
    Allday bewegte die Pinne nur sehr wenig und sah, wie das Land, dem Druck seiner Hand folgend, vor ihnen vorbeizog. Er zuckte zusammen, als die Sonne sich auf den

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