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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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beiden angefreundet haben.« Keens Gesicht schien plötzlich offen wie ein Buch vor ihm zu liegen, und er sah Furcht darin. Da legte er ihm die Hand auf den Arm. »Wir haben schon mehr Stürme abgewettert, Val. Wir bleiben Freunde.«
    Irgendwie gefielen ihm seine Worte nicht. Im »Swan Inn« hatte er genau das gleiche zu Herrick gesagt. Brüsk drehte er sich um und ging nach achtern.
    Minuten später erzitterte die Luft von einem einzigen Schuß; zu gleicher Zeit entfaltete sich die Flagge, die den Beginn des Kriegsgerichts anzeigte. Es war soweit.
    Bolithos große Kajüte war kaum wiederzuerkennen. Zwei der Vierundzwanzigpfünder hatte man gedreht und zur Seite geschoben, um Platz zu schaffen für die vielen Stuhlreihen. Bolitho setzte sich und gab Ozzard seinen Hut. Der eilte durch den schmalen Mittelgang davon, ohne jemanden anzusehen. Ihm paßte offensichtlich überhaupt nicht, was hier geschah.
    Bolitho hatte gemerkt, daß sich mancher nach ihm umdrehte. Einige kannten ihn, viele hatten von seinen Gefechten und Schlachten gelesen. Andere nahmen nur genüßlich den Skandal zur Kenntnis, seine landbekannte Liaison mit Lady Somervell. Aber wer ihn besser kannte, würde ihn verstehen und seine Gefühle für den Mann nachempfinden, der die gleichen Gefahren wie er selbst durchlebt hatte.
    Alle erhoben sich voller Respekt, als die Mitglieder des Gerichts durch den schmalen Gang schritten und vor den Heckfenstern Platz nahmen. Hamett-Parker saß in der Mitte, die anderen Richter rechts und links neben ihm, je nach ihrem Rang. Er nickte dem Anklagevertreter der Admiralität zu, einem großen, schweren Mann, der sich unter den Decksbalken bücken mußte. Er sah eher aus wie ein Bauer, nicht wie ein Bevollmächtigter der Admiralität.
    »Nehmen Sie Platz, meine Herren!«
    Zum erstenmal gewahrte Bolitho Herricks Degen, der vor dem Vorsitzenden lag. Dann merkte er, daß Hamett-Parker ihn ansah, sich zu erinnern schien: Neugier, Abneigung und noch mehr lagen in seinem Blick.
    Bolitho berührte das Medaillon unter seinem Hemd. Hilf mir, Kate, dachte er. Er blickte aus den Heckfenstern und versuchte, seine Gedanken auf die Schiffe zu konzentrieren, die da unter dem blauen Himmel vor Anker lagen. An diesen Fenstern hatte er oft gesessen und Pläne geschmiedet. Von hier aus hatte er Kopenhagen unter dem erbarmungslosen Beschuß der Briten brennen sehen.
    Er hörte Herricks humpelnden Schritt und das scharfe Stiefelknallen seiner Eskorte. Dann stand Herrick vor dem Tisch und betrachtete mit nur wenig Interesse die Männer, die über ihn zu Gericht sitzen sollten.
    Der Vorsitzende sagte: »Nehmen Sie Platz. Wir wollen nicht, daß Sie unnötig leiden.«
    Bolitho spürte, wie sich seine Fäuste verkrampften. Aber dann sah er erleichtert, daß Herrick sich setzte. Wenn er stehengeblieben wäre, hätte die ganze Verhandlung gleich einen anderen Ton bekommen.
    Herrick blickte sich um und nickte Bolitho knapp zu. Das erinnerte diesen an ihr zufälliges Zusammentreffen in der Admiralität. Herrick hatte ihm damals deutlich zu verstehen gegeben, wie wenig er von Catherine hielt. Daraufhin hatte Bolitho ihn gefragt: »Ist unsere Freundschaft wirklich so begrenzt?«
    Hamett-Parker wandte sich mit flacher Stimme an den Ankläger. »Beginnen Sie, Mr. Cotgrave!«
    Herricks Bewacher, ein Hauptmann der Seesoldaten, beugte sich vor, doch Herrick erhob sich schon. Er hatte genug Kriegsgerichtsverhandlungen gegen andere mitgemacht, um die Prozedur zu kennen.
    Der Ankläger wandte sich ihm zu und entfaltete seine Papiere. Aber Bolitho wußte, daß er wie ein erfahrener Schauspieler jedes Wort der Anklageschrift auswendig gelernt hatte.
    »Gemäß Beschluß der Admiralität werden Sie, der Ehrenwerte Thomas Herrick, Konteradmiral der roten Flagge, angeklagt, sich im September letzten Jahres, wie in der Anklageschrift festgehalten, schuldig gemacht zu haben unehrenhafter Handlungen und der Verletzung Ihrer Pflichten. Sie haben damit einem Parlamentsbeschluß aus dem Jahre 1749 zuwidergehandelt, den man öffentlich auch die Kriegsartikel nennt.«
    Bolitho war sich plötzlich der Stille bewußt, die über dem Schiff hing. Sogar die Schritte der Wachhabenden und das gelegentliche Quietschen von Blöcken klangen dumpf und fern.
    Cotgrave sah Herrick unbewegt an und fuhr fort: »Sie haben gegen Artikel XVII verstoßen, indem Sie pflichtwidrig die Führung und den Schutz eines Geleitzugs vernachlässigten. Sie haben diese Pflicht weder erfüllt, noch haben

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