Das letzte Riff
Franzosen
Tonnant
ins Gefecht verwickelt und sich dann längsseits gelegt zum Nahkampf, bis der Franzose die Flagge strich. Hätte der Feind geahnt, wie es wirklich mit dem Engländer stand, hätte er bestimmt weitergekämpft. Überall lagen Tote, auch der Kommandant, Kapitän Westcott, war gefallen.
Tyacke war mit versengtem Gesicht quer übers Deck geschleudert worden. Hinterher konnte er sich an nichts mehr erinnern. Vielleicht war eine Kanone explodiert, vielleicht war er gegen eine brennende Lunte gefallen – niemand in seiner Umgebung hatte überlebt, um es ihm zu erzählen.
Jetzt stand er vor den Richtern und hielt seine schreckliche Wunde im Schatten, ein tapferer Mann, der nur sein Schiff hatte. Seine Verlobte hatte ihn verlassen, als sie sah, was ihm widerfahren war.
Zurückhaltend nickte er Bolitho zu, den er bewunderte.
Der Ton des Anklägers klang barsch, er ärgerte sich wohl über das Gericht und über sich selber, weil er Tyackes unbewegtem Blick nicht ausweichen konnte. »Sie sichteten die französischen Schiffe zuerst, Commander Tyacke?«
Tyacke sah zu Herrick hinüber. »Ja, Sir. Wir stießen fast zufällig auf die Schiffe. Unter ihnen war ein großer Dreidecker, den ich nicht kannte. Später entdeckte ich dann, daß es ein spanisches Schiff war, das die Franzosen requiriert hatten.« Er zögerte. »Vizeadmiral Bolitho war der Dreidecker allerdings vertraut.«
Einer der Richter beugte sich vor, um etwas zu flüstern, aber Hamett-Parker unterbrach ihn: »Das war die
San Mateo,
die Sir Richards Flaggschiff
Hyperion
vor Trafalgar versenkt hatte.« Gereizt sagte er: »Fahren Sie fort!«
Tyacke sah ihn ohne Wohlwollen an. »Wir liefen so nahe heran, wie es eben ging, aber sie erwarteten uns und beharkten uns der Länge nach, ehe wir abdrehen und fliehen konnten. Schließlich fanden wir den Konvoi, und ich ging an der
Benbow
längsseits, um dem Konteradmiral Bericht zu erstatten.«
»Hatte die Fregatte den Konvoi schon verlassen?« wollte ein Beisitzer wissen.
»Aye, aye, Sir.« Tyacke machte eine Pause, als erwarte er noch eine Frage, und sagte schließlich: »Ich berichtete also Konteradmiral Herrick, was ich gesehen hatte.«
»Wie empfing er Sie?«
»Wir unterhielten uns über die Sprechtrichter, Sir.« Mit kaum verhohlenem Sarkasmus fügte er hinzu: »Der Feind war ein bißchen zu nahe für einen gemütlichen Plausch. Wir hatten es alle sehr eilig.«
Der Ankläger lächelte. »Sehr gut gesagt, Commander Tyacke.« Dann wechselte er den Ton. »Das ist jetzt besonders wichtig: Was antwortete Ihnen der Konteradmiral darauf? Das haben Sie doch sicher im Signalbuch der
Larne
notiert?«
»Möglich …« Tyacke übersah Cotgraves Stirnrunzeln. »Ich erinnere mich, daß Konteradmiral Herrick mir zunächst befahl, Sir Richard Bolithos Nordseegeschwader zu suchen. Dann änderte er seine Meinung und gab mir Befehl, die Vorgänge direkt an Admiral Gambier auf der
Prince of Wales
vor Kopenhagen zu melden …«
Nachdenklich unterbrach ihn Cotgrave: »Obwohl sieben Monate vergangen sind und Sie inzwischen viel um die Ohren hatten, wundert Sie offensichtlich immer noch die Tatsache, daß Konteradmiral Herrick seine Meinung änderte. Erklären Sie das bitte dem Gericht.«
Darauf war Tyacke wohl nicht gefaßt. Er stotterte: »Sir Richard Bolitho war sein Freund, Sir, jedenfalls …«
»Meinen Sie nicht auch, Commander Tyacke, daß es in jedem Fall richtiger gewesen wäre, zuerst Sir Richards Geschwader zu finden? Es hatte ja beim damaligen Angriff auf die Dänen nur eine unterstützende Aufgabe.«
Tyacke zögerte. »Wir erwarten Ihre Antwort, Sir!« herrschte ihn der Vorsitzende an.
Mit unbewegten Gesicht antwortete Tyacke: »Das muß es wohl gewesen sein, was ich damals dachte.«
Cotgrave wandte sich an Herrick. »Sicherlich wollen Sie dem Commander noch einige Fragen stellen.«
Herrick sah ihn gelassen an. »Ich habe keine Fragen. Dieser Offizier sagt die Wahrheit und ist außerdem ein sehr tapferer Mann.«
Ein Beisitzer meldete sich: »Da hinten hat jemand eine Frage, Sir!«
»Ich bedaure, wenn ich den Gang der Dinge aufhalte«, kam eine Stimme aus dem Zuschauerraum, »oder wenn sogar die Erfrischungspause verschoben werden muß. Doch der Herr Vorsitzende hat vorhin angeboten, die Sachlage auch einer Landratte zu erklären.«
Bolitho drehte sich um, denn er erinnerte sich an die Stimme, konnte jedoch den Fragenden nicht ausfindig machen. Es mußte ein einflußreicher Mann sein, wenn er es
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