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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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sich verloren vor wie in einem undurchdringlichen Wald. Wohin sollte er sich wenden? Vielleicht war es ihr wirklich egal. Vielleicht war sie sogar froh, daß er ging, damit endlich die Spannung zwischen ihnen nachließ.
    Keen sah einen Hauptmann der Seesoldaten übers Deck gehen. In ein Tuch gehüllt, trug er einen Degen: Herricks Waffe, traditionelles Beiwerk zu diesem makabren Schauspiel. Wenn das Gericht sein Urteil gefällt hatte, würde schon die Lage des Degens auf dem Tisch Herrick zeigen, ob er schuldig oder freigesprochen war.
    Welch böswilliger Kopf hatte bloß Admiral Sir James Hamett-Parker zum Vorsitzenden bestimmt? Man kannte ihn nur als Tyrannen. Als vor elf Jahren die Flotte in der Nore und vor Spithead gemeutert hatte, war er der erste Flaggoffizier gewesen, den der Rat der Seeleute von Bord gejagt hatte. Das hatte er nie vergessen, und seither ließ er keine Gnade in seinen Urteilen walten.
    Als Flaggkapitän hatte Keen auch die anderen Mitglieder des Gerichts begrüßt: einen Vizeadmiral, einen Konteradmiral, sechs Vollkapitäne. Alle hatten ein Kommando in Portsmouth oder in der Nähe – an Land. Es war also kaum anzunehmen, daß sie sich mit Hamett-Parker anlegen würden.
    Sedgemore meldete knapp: »Sir Richard kommt an Bord, Sir!« Dann war er verschwunden. Er wunderte sich wahrscheinlich immer noch, daß Keen dieses wundervolle Schiff verlassen wollte, um ein paar Kähne in Afrika zu kommandieren.
    »Ein schrecklicher Tag, Val«, begrüßte ihn Bolitho. Sie wechselten zur anderen Seite, außer Hörweite der Wachhabenden. »Lieber Gott, wenn doch schon alles vorbei wäre!«
    »Werden Sie als Zeuge gehört, Sir?«
    Bolitho sah ihn an: Schatten unter den Augen, harte Linien um den Mund. »Ich werde unsere Rolle im Gefecht an jenem Morgen schildern.« Noch immer hörte er Herricks bittere Worte:
Um zu beschreiben, was du nach der Schlacht vorgefunden hast.
»Es scheint, daß ich keine Fragen stellen darf. Ich bin nur ein Zeuge
nach
dem Ereignis.«
    Keen sah, wie der Stückmeister sich bereitmachte und seine Mannschaft einen Zwölfpfünder lud und ausrannte. Nach dem Schuß, und wenn die Kriegsflagge an der Besangaffel gesetzt war, würde jedermann wissen, daß die Verhandlung begonnen hatte. Die Flagge des Kriegsgerichts rief bei vielen Beobachtern böse Erinnerungen hervor, forderte Mitleid von anderen und war all denen gleichgültig, die ihr Leben nicht auf See aufs Spiel setzen mußten.
    »Ich wollte vorher mit Ihnen reden, Val. Wie sehen Sie die Ereignisse von damals? Sie waren dabei, haben alles gesehen – bis zum bitteren Ende.« Bolitho blickte sich auf dem Hüttendeck um. »Damals haben auch wir ein paar gute Männer verloren. Aber wenn der Feind den Köder nicht geschluckt und unsere falsche dänische Flagge nicht für echt gehalten hätte, wäre es schlimmer ausgegangen.«
    Keen blickte ihn unbewegt an. »Ich kenne Konteradmiral Herrick die längste Zeit meines Lebens, als Ersten Offizier, als Kapitän und jetzt als Flaggoffizier. In den frühen Jahren habe ich seinen Mut immer bewundert und auch seine Ehrlichkeit.«
    Bolitho spürte Unsicherheit in Keens Worten und wollte verhindern, daß sich etwas zwischen sie schob. »Sprechen Sie bitte offen, Val.«
    Keen biß sich auf die Unterlippe. »Ich glaube, es hat ihn selbst überrascht, daß er Flaggoffizier wurde.«
    »Interessant. Mir hat er oft Ähnliches gesagt.«
    Da entschied sich Keen. »Aber ich kann weder vergessen noch vergeben, daß er mir damals die gleichen Ungelegenheiten machte, denen er sich jetzt gegenübersieht. Er hörte auf kein Argument, nur der Buchstabe des Gesetzes galt für ihn. Wenn Sie nicht eingegriffen hätten, wäre es um mich geschehen gewesen.« Er starrte hinüber zum Portsmouth Point, unter dem die See so rasend schnell vorbeizog, als sei das Land auf der Flucht. »Tut mir leid, aber ich beurteile sein Verhalten anders als Sie.«
    »Danke, daß Sie mir das sagen, Val.«
    »Ich habe mal behauptet«, fügte Keen hinzu, »ich wüßte, was Sie unter den gleichen Umständen getan hätten.« Er drehte sich um, als ein Leutnant den Niedergang hochgeklettert kam und grüßend an den Hut tippte. »Was gibt’s, Mr. Espie?«
    Der Leutnant schaute Bolitho an. »Entschuldigen Sie, Sir Richard. Der Ankläger läßt Ihnen durch mich ausrichten, daß die Verhandlung gleich beginnen wird.«
    »Danke.« An Keen gewandt, sagte Bolitho noch: »Heute trifft sich Ihre Zenoria mit meiner Catherine. Ich bin froh, daß sich die

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