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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Sie die Schiffe und die Fracht verteidigt, wie es Ihre Aufgabe gewesen wäre. Wenn Sie schuldig befunden werden, haben Sie Befrachtern, Eignern, Reedern und anderen Schadenersatz zu leisten. Das Kriegsgericht wird ebenfalls entscheiden, ob Sie entsprechend der Anklage mit dem Tod oder anderweitig bestraft werden. Gott schütze den König!«
    Admiral Sir James Hamett-Parker öffnete den dünnen Mund wie eine Falle. »Plädieren Sie schuldig oder nicht schuldig?«
    »Nicht schuldig.« Herricks Antwort war genauso knapp.
    »Nun ja. Nehmen Sie bitte Platz. Sie können gleich beginnen, Mr. Cotgrave, aber ehe Sie anfangen, möchte ich Sie daran erinnern, daß hier einige Herren anwesend sind, die über Seegefechte und die entsprechende Taktik wenig wissen, weil sie darüber, ähem, nur gelesen haben.«
    Der eine oder andere lächelte bei diesen Worten, trotz der ernsten Situation.
    »Deshalb wird es ab und zu nötig sein, gewisse Begriffe und Ereignisse zu erklären oder genauer zu beschreiben.« Der Vorsitzende preßte die Fingerspitzen zusammen und schaute die Versammelten an. »Also, beginnen wir.«
    Bolitho beugte sich vor und registrierte genau, wie der Ankläger den Kurs von Herricks Konvoi beschrieb, ebenso die Standorte des Nordseegeschwaders und der Hauptflotte unter Admiral Gambiers Befehl, der die Operation vor Kopenhagen leitete.
    Es war der zweite Verhandlungstag. Am ersten waren vor allem schriftliche Zeugenaussagen verlesen worden, darunter auch die letzte Erklärung eines Sterbenden als Beleg für die Schrecken dieser Schlacht. Ein junger Leutnant auf Herricks
Benbow
hatte sie unter Eid abgegeben, nachdem man ihm auch das zweite Bein hatte amputieren müssen.
    Bolitho konnte sich diesen Augenblick nur zu gut vorstellen. An jenem fürchterlichen Tag hatten die feindlichen Schiffe die
Benbow
zusammengeschossen, bis ihre Decks rot von Blut waren und ihre Masten wegflogen wie verrottete Stümpfe.
    Der sterbende Leutnant hatte berichtet, wie er vom Vordeck aus, wo die meisten seiner Männer nur noch blutige Fetzen waren oder unter dem Messer des Schiffsarztes lagen, sich nach achtern durchgekämpft hatte, um Herrick aufzufordern, in Gottes Namen endlich die Flagge zu streichen. »Wir gehen alle drauf für nichts!« hatte er gebrüllt.
    Weiter hatte der Leutnant ausgesagt, daß der Konteradmiral eine Pistole gezückt hatte und ihn auf der Stelle zu erschießen drohte, wenn er nicht sofort auf seine Station zurückkehren würde. Dann war die Großbramstenge von oben gekommen und hatte ihm die Beine zerschmettert. Auch danach war Herrick bei seiner Antwort geblieben: »Wir werden heute alle sterben.«
    Einer der Protokollführer blickte zu Herrick hinüber, als wolle er den Mann, der da saß, mit dem vergleichen, was er über ihn schrieb.
    Eine zweite eidesstattliche Erklärung kam von
Benbows
Schiffsarzt, der im Lazarett arbeitete. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, all die vielen Verwundeten und Sterbenden zu versorgen, und habe das dem Kommandanten melden lassen, doch keine Antwort bekommen.
    Der Ankläger sah sich um. »Wir müssen berücksichtigen, daß das Schiff im Gefecht war. Der Melder, der nach achtern geschickt wurde – wenn er denn überhaupt geschickt wurde –, könnte unterwegs gefallen sein.«
    Danach gab es eine kurze Pause für einen Imbiß; die Flaggoffiziere und wichtigen Gäste versammelten sich in Keens Kajüte, die anderen in der Offiziersmesse.
    Anschließend legte Kapitän Varian, damals Befehlshaber der Fregatte
Zest
in Herricks Geschwader und demnächst selbst Angeklagter vor einem Kriegsgericht, Zeugnis ab von dem, was er unter Herricks Kommando erlebt hatte. Nur mit Verachtung konnte Bolitho ihm zuhören.
    Dieser Mann hatte seinerzeit die
Truculent
nicht unterstützt, als sie mit Bolitho an Bord in geheimer Mission aus Kopenhagen zurückkehrte. Der Versuch, sich mit den Dänen zu arrangieren und den Krieg zu vermeiden, war mißlungen. Ein französisches Kriegsschiff war der
Truculent
gefolgt und hatte ihr eine Falle gestellt, aus der es kein Entkommen zu geben schien. Erst Adam Bolithos
Anemone
hatte sie schließlich gerettet, doch vorher waren der Kommandant, Kapitän Poland, und viele seiner Offiziere und Matrosen gefallen.
    Und jetzt sagte Varian aus, daß Herrick seinen Kommandanten nie Entscheidungsspielraum ließ, keine Eigeninitiative duldete. Er hätte lediglich Herricks Befehle ausgeführt.
    Endlich wandte sich der Vorsitzende an Herrick: »Sie können diesen Zeugen ins

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