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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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sich leisten konnte, sich auf Hamett-Parkers Kosten zu amüsieren.
    Dieser Mann, der sich jetzt erhob, war Sir Paul Sillitoe, einst persönlicher Berater des Premierministers. Bolitho hatte ihn lange vor dem Angriff auf Kopenhagen bei einem Empfang getroffen, den Lord Godschale auf seinem Besitz in der Nähe von Blackwall Reach gegeben hatte.
    Sillitoe, hager und ganz in Schwarz, mit Augen, die tief in den Höhlen lagen, war ein einsamer Mann. Niemand würde ihn je genau kennen. Doch er war überaus charmant gegenüber Catherine gewesen, als der Herzog von Portland, damals Premierminister, versucht hatte, sich über sie lustig zu machen.
    Sillitoe fuhr fort: »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Unterschied zwischen zwei seemännischen Ausdrücken erklären könnten, die heute schon mehrmals gebraucht wurden.« Er sah jetzt mit der Spur eines Lächelns zu Bolitho herüber. Dieser konnte sich vorstellen, daß Sillitoe genauso schmal gelächelt hätte, wenn er ihn über den Lauf einer Duellpistole anvisierte. Verbindlich fuhr Sillitoe fort: »Ein Zeuge beschreibt, was der Konvoi tat, als ›sich zerstreuen‹, der andere spricht von ›auflösen‹. Ich bin verwirrt.«
    Bolitho klang es nicht so, als sei Sillitoe verwirrt. Er fragte sich, ob der Mann in Schwarz den Gerichtsvorsitzenden nicht aus einem ganz anderen Grund unterbrochen hatte.
    Doch der antwortete geduldig: »Wie Sie wünschen, Sir Paul. Wenn ein Konvoi sich zerstreut, kann jeder Schiffsführer segeln, wohin er will. Wenn ein Konvoi aufgelöst wird, dann darf er das auch tun – aber immer auf das ursprüngliche Ziel zu. Habe ich mich verständlich machen können, Sir Paul?«
    »Noch eine Frage, wenn Sie gestatten, Sir. Die Kapitäne, die meinten, sie hätten den feindlichen Schiffen davonsegeln können – warteten die auf den Befehl zur Auflösung?«
    Cotgrave schaute fragend zum Vorsitzenden hinüber und antwortete auf dessen Nicken hin: »So war es, Sir Paul.«
    Elegant verneigte sich Sillitoe. »Ich danke Ihnen.«
    »Wenn das alles war, meine Herren«, kam es kurz von Hamett-Parker, »dann unterbrechen wir jetzt die Verhandlung, um uns zu erfrischen. – Sie sind entlassen, Commander Tyacke.«
    Er verließ die Kajüte, gefolgt von den Mitgliedern des Gerichts.
    Tyacke wartete, bis der Raum fast leer und auch Herrick mit seiner Eskorte verschwunden war. Dann schüttelte er Bolithos Hand und sagte: »Ich hatte gehofft, daß wir uns bald wiedersehen, Sir Richard. Aber nicht unter diesen Umständen.«
    Sie gingen zusammen aufs Achterdeck. Dort hatten sich Zuschauer in kleinen Gruppen versammelt und diskutierten die Verhandlung. Die Wachhabenden und die arbeitenden Seeleute zeigten sich über die Fülle der Herumstehenden verärgert.
    »Geht es Ihnen gut?« Bolitho beobachtete, wie ein eleganter Schoner gegenankreuzte, und war sicher, daß Tyacke ihn mit seiner gesunkenen
Miranda
verglich.
    »Ich hätte Ihnen schreiben wollen, Sir Richard, nach allem, was Sie für mich getan haben.« Tyacke seufzte. »Ich bin zu der Patrouille abkommandiert, die Sklavenschiffe aufbringen soll. Wir laufen bald zur westafrikanischen Küste aus. Die meisten meiner Männer haben sich freiwillig gemeldet – vor allem, um dem Krieg zu entgehen, weniger aus moralischen Gründen.« Er grinste. »Ein Glück, daß das Antisklavereigesetz doch noch im Parlament verabschiedet wurde, nach all den Jahren!«
    Bolitho stimmte ihm zu. Fünfzehn Jahre lang hatte England jetzt fast ununterbrochen gegen Frankreich gekämpft – und während der ganzen Zeit war der Sklavenhandel ohne jede Behinderung weitergegangen: ein brutales Geschäft mit Menschen, die genauso oft unter der Peitsche wie am Fieber starben. Und doch hatten viele Parlamentarier gegen die Abschaffung der Sklaverei gestimmt, hatten die Sklavenhändler und die Plantagenbesitzer in der Karibik treue Untertanen der Krone genannt, die immer bereit seien, ihr Land zu verteidigen. Wer gegen das Gesetz votierte, fügte oft noch hinzu, daß viele Sklaven billigen Zucker für den Weltmarkt bedeuteten und britische Untertanen freisetzten, die dafür im Heer oder auf See dienen konnten.
    Diese Patrouillenaufgabe war genau auf Tyacke zugeschnitten, dachte Bolitho: ein Schiff, das nicht zur Marine zu gehören schien, und ein Kommandant, der eine kleine Mannschaft führte, die er nach seinen Vorstellungen ausbilden konnte.
    »Ich fürchte, ich habe Konteradmiral Herrick mit meiner Aussage nicht sehr genützt, Sir Richard«, sagte

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