Das letzte Riff
dafür.
Sie erschrak, als ein dumpfer Knall über den Hafen wehte. Also feuerten sie bei Verhandlungsende doch eine Kanone ab.
Trotzig blickte sie in den Spiegel. Natürlich würde sie Richard von Sillitoes Besuch berichten. Andernfalls würden es andere nur zu gern tun. Sie lächelte und merkte, wie sie sich wieder entspannte.
Admiral Sir James Hamett-Parker lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte die Offiziere am Tisch. Er hatte noch den Geschmack von Käse im Mund und von Portwein, dem er eifrig zugesprochen hatte. Solche Genüsse stärkten ihn für die unangenehme Aufgabe, die jetzt wieder vor ihm lag. Zu lästig. Doch sie mußte erledigt werden.
Er merkte, wie der Ankläger ihn beobachtete, und sah zu Herrick hinüber, doch das kräftige Gesicht des Konteradmirals verriet nichts. Die Zeitungsschreiber aus London und Portsmouth hatten sich wieder eingefunden, und hinter dem Angeklagten stand unbeweglich der Hauptmann der Seesoldaten.
»Mr. Cotgrave, ich möchte ganz sichergehen«, sagte Sir James, »daß Kapitän Hector Gossage wirklich in der Lage ist, hier eine Aussage zu machen.«
Unbewegt antwortete Cotgrave: »Der Arzt ist selbst mit im Raum, Sir James.«
Ein Marinearzt aus Haslar trat vor den Tisch. »Ich habe soeben Kapitän Gossage noch einmal untersucht. Sein Zustand hat sich deutlich gebessert, Sir James. Er bat mich, sein gestriges Verhalten vor Gericht bei Ihnen zu entschuldigen. Er hatte zuviel Opium eingenommen, das seine Schmerzen lindern soll. Deshalb war er nicht ganz er selbst.«
Hamett-Parker zeigte sein seltenes Lächeln. Er erinnerte Bolitho, der jede Bewegung des Admirals mit wachsendem Entsetzen beobachtete, an einen Fuchs, der gleich über einen Hasen herfallen würde.
Hamett-Parker nickte. »Dann wollen wir beginnen.«
Kapitän Gossage schritt durch den Raum nach vorn, stützte sich dabei kaum auf die Stuhllehnen und achtete nicht auf die Blicke, die ihn von allen Seiten maßen. Die Kameraden brachten ihm Mitleid und Verständnis entgegen, andere, die die Verhandlung am liebsten schon gestern beendet gesehen hätten, Ungeduld.
Er verbeugte sich zögernd vor den Richtern und setzte sich auf den angebotenen Stuhl. Bolitho sah, daß er dabei die Hilfe einer Ordonnanz ablehnte.
»Sitzen Sie bequem und fühlen Sie sich wohl, Kapitän Gossage?« wollte der Ankläger wissen.
Gossage versuchte, den Armstumpf von der Stuhllehne freizuhalten. »Ja, Sir.« Dann schaute er den Admiral an. »Ich bitte das Gericht um Nachsicht für mein gestriges Verhalten, Sir James. Ich wußte kaum, was ich tat.«
Vizeadmiral Neville nickte. »Nur die Zeit kann heilen, was Sie hier erleiden.« Einige Offiziere murmelten Zustimmung.
»Können wir also fortfahren?« fragte Hamett-Parker.
Das klang scharf. Der Mann mochte es nicht, wenn jemand in seiner Gegenwart eine Meinung äußerte.
Ein Bote kam durch die Stuhlreihen herbei und legte einige Bücher so auf den Tisch, daß Gossage sie erreichen konnte.
»Mein Logbuch und meine Signalkladde, Sir James. Jede Schiffsbewegung ist darin festgehalten, bis es zum Nahkampf kam.« Gossages Gesicht wirkte wie versteinert. »Dann gab es auf dem Achterdeck niemanden mehr, der sich darum hätte kümmern könnten. Auch der Flaggleutnant des Admirals war schon gefallen.« Er rang nach Luft. »Und mich hatte man nach unten ins Lazarett geschleppt.«
Bolitho sah, wie sich die einzige Hand des Kapitäns um den Stuhl krampfte, als dieser Alptraum wieder vor ihm lebendig wurde.
Cotgrave half ihm sanft weiter: »Berichten Sie mit Ihren eigenen Worten, Kapitän Gossage. Was im Logbuch und in der Kladde steht, ist schon protokolliert worden.«
Gossage lehnte sich zurück und schloß die Augen. In diesem Augenblick war er offenbar kein Krüppel mehr, sondern der Flaggkapitän von damals.
»Nachdem wir Verbindung zur Brigg
Larne
aufgenommen hatten und wußten, wo ungefähr der Feind stand, beschlossen wir, alle Segel zu setzen.«
»
Wir
beschlossen?« unterbrach ihn Cotgrave sofort.
Gossage nickte verlegen. »Als Flaggkapitän wurde ich natürlich immer gefragt. Sie wissen, daß derselbe Wind, der schließlich Sir Richard Bolithos Schiffe zu unserer Rettung herbeibrachte, uns und dem Konvoi entgegenstand.«
Cotgrave sah, wie seine Sekretäre eifrig mitschrieben; ihre Gänsefedern wirbelten nur so über das Papier. »Und was geschah, als der Feind auftauchte?«
Gossage antwortete: »Wir hatten leichten Nebel. Der Konvoi hatte sich in der Nacht etwas
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