Das letzte Riff
nicht verletzen.«
Sanft berührte sie seinen Arm. »Entschuldigen Sie. Wir scheinen es beide nicht leicht gehabt zu haben.«
Er sah auf ihre Hand nieder, an der Keens Ring in einem Lichtstrahl dunkel glänzte.
»Schön, daß Sie hier wohnen werden. Vielleicht darf ich vorbeikommen, wenn wir unten im Hafen ankern?«
Zenoria trat ans Fenster und sah auf den Garten und die Hügel hinaus. »Warum fragen Sie? Dies ist
Ihr
Haus, oder?« Ferguson verließ das Zimmer und fand seine Frau, die Haushälterin der Bolithos, in ein Gespräch mit der Köchin vertieft.
»Wie geht es ihm, Bryan?« fragte sie. »Bleibt er ein bißchen?«
Die Köchin murmelte etwas und verschwand in der Küche. Ferguson sagte: »Ich glaube, Adam wird bleiben, Grace.« Er hörte Zenorias mädchenhaftes Lachen. »Aber ich hoffe, daß Sir Richard bald kommt.« Dabei dachte er: Hoffentlich mit Lady Catherine. Die weiß, wie man mit einer solchen Situation fertig wird.
Seine Frau lächelte. »Also mal ein richtiges Zuhause. Alle sind wieder da. Ich kümmere mich jetzt ums Essen.«
Ferguson sah seiner rundlichen Frau nach und erinnerte sich daran, wie sie ihn gepflegt und versorgt hatte, als er aus dem Krieg gekommen war – mit nur einem Arm.
Ach, wenn doch alles so bliebe, wie Grace es sich wünschte!
Aber er wußte, eines Tages mußte die schreckliche Nachricht kommen. Bei Sir Richard ebenso wie bei allen Bolithos vor ihm. Ferguson betrachtete das Porträt von Kapitän David Bolitho, der im Kampf gegen Piraten vor der afrikanischen Küste gefallen war. Er trug den Familiendegen. Der war damals ganz neu und nach seinen Wünschen angefertigt worden. Sir Richards Vater David und alle andere Bolithos auf den Bildern schienen auf den letzten Bolitho, der in ihre Reihe treten sollte, zu warten. Voll Trauer wünschte sich Ferguson, das nicht mehr erleben zu müssen.
Er ging den Stimmen nach in die Bibliothek und sah Zenoria auf die Leiter steigen, offenbar auf der Suche nach einem Buch, das jahrelang niemand mehr in der Hand gehabt hatte. Adam hielt ihren Arm, um sie zu stützen.
Ferguson erschrak. Die beiden sahen aus wie füreinander geschaffen.
Adam bemerkte ihn. »Ich werde doch ein paar Tage bleiben, Bryan. Mein Erster Offizier soll ruhig mal zeigen, daß er ein Schiff beaufsichtigen kann.«
Ferguson nickte und ging. Mit Grace konnte er darüber nicht sprechen, sie würde ihm nie glauben, denn sie sah in allen Menschen immer nur das Gute. Sollte er mit Allday darüber reden? Aber der stand mit Rat und Tat nicht mehr zur Verfügung, sobald die Reise nach Kapstadt begonnen hatte.
Adam merkte gar nicht, daß Ferguson gegangen war. »Da Sie schon ein Reitkleid tragen, Zenoria, sollten wir zur Burg hinaufreiten«, schlug er vor. »Das gibt den richtigen Appetit für Mrs. Fergusons Abendessen.«
Schritte erklangen im Flur, und dann stand plötzlich Leutnant Jenour in der Tür und sah ihn überrascht an.
Warm schüttelte Adam ihm die Hand. »Sie wirken abgespannt, Stephen.« Dabei ließ er Zenoria keinen Moment aus den Augen. »Aber als Flaggleutnant meines Onkels müssen Sie mir das nicht erklären. Ich war’s ja selber mal.« Fröhlich rief er: »Kommen Sie, Zenoria. Ich hole die Pferde!«
Sie blieb vor Jenour stehen. »Was hört man, Stephen?«
»Es heißt, daß Konteradmiral Herrick freigesprochen wurde. Alle Anklagen sollen fallengelassen sein. Ich verstehe es immer noch nicht ganz.«
Sie legte ihm die Hand auf den Arm.
»Ich wäre froh, wenn es stimmte – vor allem wegen Sir Richard. Er hat sich große Sorgen gemacht.« Sie raffte ihren Reitrock. »Ich komme ja schon, Adam. Sie sind wirklich ungeduldig!«
Jenour sah ihr nach, und viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Doch einer kehrte immer wieder und blieb haften: So glücklich wie eben hatte er Kapitän Keens Frau noch nie gesehen.
Yovell trat in die Tür, auf etwas kauend, das er in der Küche ergattert hatte.
»Da sind Sie ja endlich, Yovell …«
Jenour vergaß die junge Frau und den schneidigen Kapitän, denn ein Flaggleutnant hatte nie genügend Zeit. Es gab immer mehr zu tun, als er an einem Tag für seinen Admiral erledigen konnte.
Allday pausierte auf dem schmalen Weg und lehnte sich mit dem Rücken gegen eine Steinmauer. Wenn er von See gekommen war und einen Augenblick Zeit hatte, stieg er gern hier herauf, um auf diesem stillen Platz mit seinen Gedanken allein zu sein. Und mit einem Tonkrug voll gutem Rum. Er stopfte seine Pfeife und wartete auf ein Atemholen der
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