Das letzte Riff
militärische Begrüßung zu betreten. In den Masten arbeiteten ein paar Männer, die rotbraunen Segel flappten wie Flügel eines Vogels, der sich bald erheben will. Bolitho erkannte den schmächtigen Ozzard neben einem gewaltigen Mann, der wohl Samuel Bezant sein mußte, der Kapitän. Anders als die meisten Besatzungsmitglieder, war er auf diesem Schiff schon gefahren, ehe es die Admiralität in ihre Dienste nahm; das war die Zeit gewesen, als von den Guillotinen Ströme von Blut auf die Plätze Frankreichs flossen.
Die Kapitäne dieser Post- oder Paketschiffe, auch die der berühmten Falmouthflotte, waren sehr erfahrene Seeleute. Sie führten ihre Schiffe von England nach Nord- und Südamerika, nach Jamaika, in die Karibik, zu den spanischen Kolonien und jetzt auch zum Kap der Guten Hoffnung. Wenn die Schiffe für die Admiralität segelten, wurden sie unter Deck oft umgebaut, um mehr Platz für Beamte und Offiziere zu haben, die manchmal in Begleitung ihrer Frauen in die entferntesten Winkel der Erde reisten, in das immer größer werdende britische Imperium.
Die
Golden Plover
war ursprünglich eine Bark gewesen, doch hatte man sie zur Barkentine umgeriggt. Jetzt war sie viel leichter zu handhaben und konnte höher am Wind segeln – mit viel weniger Männern an Fallen und Schoten. Nur der Fockmast, an dem die alte Flagge der Gesellschaft auswehte, war noch rahgetakelt. An Groß- und Besanmast führte sie Gaffelsegel, die man fast immer von Deck aus bedienen konnte.
Keen drehte sich um und schaute zum Anlegesteg zurück, als das Beiboot unter dem Heck des Schiffes durchglitt. Catherine sah Schmerz in seinen Augen, die wohl zwischen den dort Stehenden Zenoria zu finden hofften, zwischen den Bummlern, den alten Seeleuten und den Männern, die ein Ausweis vor dem Dienst auf des Königs Schiffen bewahrte.
Leise sagte sie: »Sie bedeuten ihr alles, Val. Sie braucht nur Zeit.«
In der Nähe ankerte eine Fregatte, deren Seesoldaten in ihren scharlachroten Uniformen mißtrauisch alle Boote beobachteten, die sich von Land näherten – mit begehrten Waren wie Messer, Tabak, Pfeifen und allem, was den harten, gefährlichen Alltag des Seemanns erträglicher machen konnte.
Einen Augenblick hatte Catherine geglaubt, es sei Adams
Anemone
, aber sie war es nicht. Sie konnte nachfühlen, wie sehr die beiden jungen Leute sich zueinander hingezogen fühlten. Beide stammten aus derselben Grafschaft, beide hatten eine ähnlich bittere Kindheit erlebt. Sie waren sich auch vom Alter her viel näher. Aber Liebe, oder besser die Gefahren der Liebe, waren etwas ganz anderes als diese Gemeinsamkeiten.
Catherine zog das Band ihrer dunkelgrünen Kapuze fester, die ihr Haar schützte. Auch ihr hatten die Leute oft genug gesagt, sie sei doch viel jünger als Richard. Plötzlich fühlte sie Wut in sich aufsteigen. Sollten sie doch reden, verdammt noch mal! Jetzt würde sie viele Wochen lang nichts mehr davon hören.
Der Buggast nahm seinen Riemen ein und hakte das Boot an der Festmacherkette ein. Leichtfüßig sprangen zwei Matrosen von oben herab, um die Kisten mit Taljen für das Anbordhieven vorzubereiten. Der vierschrötige Skipper bewegte sich erst, als man Catherine und Bolitho an Deck geholfen hatte. Dann sagte er mit tiefer, belegter Stimme: »Willkommen an Bord der
Golden Plover
, Sir Richard«, und lüftete seinen vielgetragenen Hut, enthüllte dichtes, graues Haar. »Willkommen, äh, Mylady.«
Sie sah, daß Sophie mit deutlichem Vergnügen Samuel Bezants Verlegenheit beobachtete, und lächelte. »Ein schönes Schiff!« Dann löste sie das Band, streifte ihre Haube zurück und ließ sie auf die Schultern fallen. Die Männer, die am Besan arbeiteten, drehte sich um und starrten sie an. Jemand ließ einen Belegnagel fallen, und der Bootsmannsgehilfe verfluchte ihn leise.
Bezant wandte sich Bolitho zu. »Ich habe den Rest meiner Befehle erst bekommen, Sir Richard, als Ihr Leutnant an Bord kam.« Der große Mann drehte sich zu seinem schönen Passagier um, dessen Haar in der Brise wehte. »Die meisten meiner Männer sind lange nicht mehr an Land gewesen, Sir Richard, und haben eine so schöne Lady noch nie gesehen. Einigen von diesen Teerköpfen würde ich nicht weiter trauen, als ich einen Warpanker werfen kann.«
Catherine sah lachend zu ihm hinüber. »Und Sie, Kapitän? Wie weit kann man Ihnen trauen?«
Bezants Gesicht war gerötet von den Spuren zahlloser Stürme und vom vielen Brandy. Andernfalls, dachte Bolitho, hätte
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