Das letzte Riff
Tau von den Steinen.
»Es war auch schwer für mich«, flüsterte sie. »Aber nicht, weil ich dich nicht mag. Nicht mehr daran denken, sagst du. Aber wie kann ich das alles vergessen? Es kommt immer wieder, und immer wieder zittere ich vor Angst.« Sie zögerte.
»Ich möchte mich dir gern ganz hingeben, aber … Wenn ich Sir Richard und Lady Catherine sehe, fühle ich mich so wertlos. Ihre Liebe ist so schön und lebendig …«
»Du bist ebenso schön, Zenoria!« Er legte sein Gesicht an ihres und schmeckte Tränen auf ihren Wangen. »So kann ich dich doch nicht zurücklassen.«
Wie zur Mahnung war Pferdegetrappel zu hören. Die Kutsche würde bald losfahren.
Keen faßte seine Frau fester, strich ihr übers Haar. Das Licht wurde heller, ein bleicher Fleck breitete sich im Osten aus. Man ahnte die See hinter Pendennis Point.
»Ich möchte dir so gefallen wie einst die junge Frau in der Südsee«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
»Die habe ich nie berührt. Aber ich habe sie geliebt. Als sie starb, dachte ich, ich könnte nie wieder jemanden lieben.«
»Ich weiß. Auch darum bin ich so verkrampft. Ich kann mich dir nicht so hingeben, wie du es verdienst.«
Keen hörte Allday mit Ferguson sprechen. Wenn stimmte, was man so hörte, dann hatte Allday eine Frau gefunden, die er liebte – oder eine, die ihm mit großer Fürsorge dankte, was er für sie getan hatte. Und meine Frau verliere ich gerade, dachte er.
»Bitte schreib’ mir, Val«, bat Zenoria. »Ich werde an dich denken, wo immer du bist, was immer du tust.«
»Ja.« Wieder Schritte. Er hörte Bolitho mit Catherine sprechen. Sie warteten wahrscheinlich auf ihn. »Ich muß gehen, Zenoria.«
»Kann ich nicht mit zum Hafen kommen und zusehen, wie ihr davonsegelt?« Ihre Stimme klang wie die eines ganz jungen Mädchens.
»Ein Hafen ist der einsamste Platz der Welt, wenn man allein zurückbleibt.« Leidenschaftlich und zärtlich küßte er ihren Mund. Ich liebe dich so sehr, dachte er. Dann drehte er sich um und verließ den Garten.
Allday stand am Tor und blickte über das Land. Keen wußte, daß sein Bootsteurer Tojohns zusammen mit Ozzard und Yovell schon längst an Bord war. Nun trat Ferguson aus der dunklen Tür und streckte ihm die Hand hin. »Auf Wiedersehen, Kapitän Keen. Wir werden gut für Ihre Frau sorgen. Aber bleiben Sie trotzdem nicht zu lange fort.«
In seiner Verzweiflung hörte Keen eine Warnung hinter Fergusons Worten. Wie betäubt stieg er in die Kutsche und nahm neben Jenour Platz. Sein Mantel klebte auf dem feuchten Leder der Sitzbank.
Catherine lehnte die Stirn gegen die Scheibe. »Auf Wiedersehen, altes, geliebtes Haus«, flüsterte sie. »Hab’ Geduld, bis wir wiederkommen!«
Verwundert sah ihre Zofe Sophie sie an. Für sie war das alles nur ein großes Abenteuer.
Die Kutsche schaukelte, als Allday neben Matthew auf dem Bock Platz nahm. Dann knallte die Peitsche, und die eisenbeschlagenen Räder klapperten über das Kopfsteinpflaster.
Zwischen den Narzissen des Gartens stand eine junge Frau und sah zu, wie das erste Morgenlicht die davonfahrende Kutsche beleuchtete. Sie wollte weinen, weil ihr fast das Herz brach. Aber sie konnte nicht.
Die Golden Plover
»Da liegt sie!«
Bolitho beugte sich vor und deutete auf das Schiff, mit dem sie die lange Reise zum Kap der Guten Hoffnung machen würden. Seine Blicke maßen es mit professionellem Interesse.
Allday knurrte unzufrieden: »Nur eine Barkentine.« Er blinzelte, als sich ein erster, noch schwacher Sonnenstrahl auf den goldfarbenen Ornamenten des Achterdecks und des Namens brach. »Wie heißt sie, Sir Richard? Meine Augen sehen heute nicht besonders gut.«
Bolitho schaute ihn mit Wärme an. Er wußte, daß Allday nicht richtig lesen konnte. Aber er konnte sich die Namensform und natürlich den Rumpf und das Rigg eines Schiffes, auch wenn er es nur einmal gesehen hatte, so einprägen, daß er es nie vergaß.
»Es ist die
Golden Plover
!« Sie grinsten einander an wie Verschwörer. »Segelte früher für die alte Royal Norfolk Packet Company.«
Catherine hörte zu, als die beiden ihre Beobachtungen austauschten, und war wieder einmal überrascht, wie tief solche Gespräche sie bewegen konnten. Jetzt waren sie alle zusammen, endlich teilte sie alles mit Bolitho. Es stimmte, was sie ihm in der Dämmerung gesagt hatte, als Keen mit Zenoria durch den Garten geschlendert war: Für sie war es Liebe im Mantel der Pflicht.
Für Bolitho war es seltsam, ein Schiff ohne
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