Das letzte Riff
Quietschen des Ankerspills. Männer liefen über Deck, und Bolitho sah an den Schatten auf dem Wasser, daß die Segel wieder gesetzt wurden. Ihr neuer Kurs würde entlang der westafrikanischen Küste verlaufen, mit einem großen Bogen um Teneriffa. Denn dort lagen wahrscheinlich spanische Kriegsschiffe.
Eine große Barkasse wurde schnell unter dem Heck durchgepullt und verschwand eilig in Richtung auf den inneren Hafen. Bolitho sah leere Fußeisen im Heck liegen und hörte Seesoldaten lachen. Sie schienen froh zu sein, daß sie die unwillkommenen Gefangenen endlich an Bord abgeliefert hatten.
Als Abschreckung für andere … Bolitho dachte wieder an Herricks Kriegsgerichtsverhandlung. Wo war er jetzt wohl? Schon auf dem Weg nach Westindien, ohne eine Zeile zum Abschied? Immer noch grübelte Bolitho über Kapitän Gossage nach und den unverständlichen Wechsel in der Tendenz seiner Aussage. Mit seinem Zeugnis hätte er Herrick vernichten können, den er so haßte. Warum also diese Wende?
Er fand immer noch keine Antwort, auch nicht, als der Anker endlich kurzstag geholt war und die
Golden Plover
drehte, bis ihr Bug durch die Meerenge nach draußen auf den offenen, glänzenden Ozean wies und sie Fahrt aufnahm.
Als das Schiff fast ganz im Dunkeln lag und die Mittelwache aufgezogen war, liebten sie sich, wie Catherine es ihm versprochen hatte. Sie gaben und nahmen einander mit liebevoller Langsamkeit, als wüßten sie, daß es nie wieder Stunden geben würde, in denen sie alle Wachsamkeit fahren lassen konnten.
Gewissensbisse
Die beiden Reiter hielten an der niedrigen Mauer und schauten hinaus auf die See, die sich vom Fuß der Klippe schier endlos weit erstreckte. Sie sahen aus wie Bruder und Schwester, aber auch wie Liebende. Vom wolkenlosen Himmel schien die Sonne auf sie herab, Bienen summten in der Luft, und weit unter ihnen drehten schreiende Möwen ihre Kreise vor den Klippen.
Adam Bolitho sprang vom Pferd. »Es wäre zu gefährlich, noch weiter zu reiten.« Er streckte die Hände aus und legte sie um Zenorias schmale Taille, um ihr vom Pferd zu helfen: einer jungen Frau mit feuchten braunen Augen, die das Haar offen in der Landbrise wehen ließ. Ihr Begleiter war ohne Uniformjacke, nur in Hemd und Kniehose, die er in die Stiefel gesteckt hatte.
Zusammen rutschten sie den grasbewachsenen Abhang hinunter auf einen flachen Felsen, von dem aus sie in eine kleine Höhle blicken konnten. Das Singen der Seen umgab sie, ihr Rauschen zwischen den zerklüfteten Klippen und ihr Zischen, wenn sie auf dem flachen Sandstrand ausliefen.
Nebeneinander hockten sie auf dem warmen Stein. »Es ist gut, wieder hier zu sein«, sagte Adam.
»Was ist denn passiert?« wollte sie wissen. »Viel Zeit haben Sie mir nicht gelassen, mich auf diesen Ausritt vorzubereiten.« Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und sah ihn aufmerksam an: Der junge Mann war seinem Onkel fast unglaublich ähnlich.
Adam zog einen langen Grashalm durch die Zähne und schmeckte Salz. »Wir haben vor Lundy Island einen Schoner gejagt. Bei ziemlich steifem Wind.« Er lächelte in Erinnerung an die Szene und sah dabei aus wie ein Junge. »Ich war vielleicht zu eifrig hinter ihm her. Jedenfalls brach die Vortoppstenge, und ich beschloß, für die Reparatur nach Falmouth zu laufen. Das ist besser, als wochenlang in einer offiziellen Werft zu warten und all den hochrangigen Kapitänen und Favoriten des Hafenadmirals den Vortritt lassen zu müssen.«
An seinem dunklen Kopf entdeckte sie Bolithos Wangenknochen und das gleiche schwarze Haar. Seit der Sommer den Frühling verdrängt hatte, wartete sie schon auf Adams Kommen. Bisher war er zweimal dagewesen. Dann ritten sie aus und unterhielten sich über alles mögliche, nur nicht über ihre Gefühle.
»Darf ich Sie etwas fragen?«
Er drehte sich auf den Bauch und stützte den Kopf in die Hände. »Sie dürfen mich alles fragen.«
»Wie alt sind Sie, Adam?«
Ernst antwortete er: »Achtundzwanzig.« Und lächelte dann doch. »Heute geworden!«
»Warum haben Sie das nicht früher gesagt, Adam?« Sie beugte sich vor und küßte ihn sanft auf die Wange. »Herzlichen Glückwunsch!« Dann legte sie den Kopf schräg. »Aber wie ein Kapitän sehen Sie jetzt nicht aus.«
Er ergriff ihre Hand. »Und Sie sehen nicht aus wie jemand, der glücklich verheiratet ist.«
Sofort stand sie auf, und er ließ ihre Hand los. Sie trat näher an den Rand der Klippe.
»Tut mir leid, falls ich Sie beleidigt habe.«
Sie drehte
Weitere Kostenlose Bücher