Das letzte Riff
dachte Godschale und murmelte: »Er wird heute hier sein. Ich habe ein Gespräch mit ihm.« Er schaute auf die Uhr. »Sehr bald schon.«
»Ich weiß«, antwortete Sillitoe lächelnd.
Man konnte wütend werden über diesen Mann, der scheinbar alles wußte, was innerhalb der Admiralität diskutiert wurde oder geschah.
»Möchten Sie bei dem Gespräch dabei sein?«
Sillitoe zuckte mit den Schultern. »Mir ist es eigentlich gleich, doch die Minister Seiner Majestät machen mir immer wieder klar, daß sie sich ganz und gar auf die Flotte verlassen. Ein Admiral, der eine Schlacht verliert, ist schnell vergessen. Aber wenn er sich immer wieder meldet, für Unruhe sorgt – dann halten ihn manche für gefährlich.«
Godschale wischte sich das hochrote Gesicht. »Verdammt, Sir Paul, ich verstehe immer noch nicht, was bei der Verhandlung eigentlich geschehen ist. Jemand hat da etwas völlig durcheinandergebracht. Wir müssen nicht nur stark sein, sondern auch unter allen Umständen stark erscheinen. Darum habe ich Sir Hamett-Parker als Vorsitzenden ausgesucht. Der war doch eine Garantie für das richtige Urteil.«
Sillitoe sah auf die Uhr. »Vielleicht wäre es besser gewesen, Herrick statt Sir Richard Bolitho nach Kapstadt zu schicken.«
»Der und Kapstadt? Der kriegt’s fertig und gibt alles den Holländern zurück!«
Die Tür öffnete sich, und ein Diener meldete leise: »Konteradmiral Thomas Herrick ist angekommen, Mylord.«
»Wird auch Zeit. Schicken Sie ihn her!« knurrte Godschale. Er ging ans Fenster und sah auf die geschäftige Straße hinunter. Eine kleine, unauffällige Kutsche wartete unter den Bäumen, die Pferde nickten im staubigen Sonnenschein.
»Ich dachte, Sie lassen sie immer erst ein bißchen schmoren?« bemerkte Sillitoe.
Über die Schulter antwortete der Admiral: »Ich habe anderes im Kopf als solche Spielchen!«
Sillitoe blieb unbewegt. Sein Falkenblick hatte längst erkannt, was das andere war, das der Lord im Kopf hatte: die kleine, unauffällige Kutsche. Darin wartete mit Sicherheit schon die Frau eines Offiziers auf ein heimliches Abenteuer. Als Lohn würde ihr Mann sich plötzlich auf einem besseren Posten wiederfinden. Sillitoe fragte sich nur, warum Godschales farblose Frau von diesen Abenteuern ihres Mannes immer noch nichts wußte. Die ganze Stadt sprach schon davon.
Herrick trat ein und erkannte mit deutlicher Überraschung Sillitoe. »Tut mir leid, ich wußte nicht, daß ich zu früh bin.«
»Entschuldigen Sie«, lächelte Sillitoe. »Falls Sie nichts dagegen haben, würde ich gern …«
Herrick begriff sofort, daß er keine Wahl hatte. »Wenn es denn sein soll?« Abwartend blieb er stehen.
Godschale drehte sich zu ihm um. »Bitte nehmen Sie Platz. Möchten Sie ein Glas Rheinwein?«
»Danke nein, Mylord. Ich bin hergekommen, um endlich eine zufriedenstellende Auskunft über mein nächstes Kommando zu erhalten.«
Godschale nahm ihm gegenüber Platz. Er sah die Anspannung, die tiefen Schatten unter Herricks Augen, die Verbitterung, welche die Verhandlung noch vertieft hatte.
»Manchmal dauert es eben länger, selbst für die Herren Flaggoffiziere.« Als Herrick keine Reaktion zeigte, spürte Godschale Ungeduld. Doch er durfte sich nicht gehen lassen. Seine einflußreiche Position verdankte er der Tatsache, daß er alles stets unter Kontrolle hatte, und daran sollte sich nichts ändern – unter keinen Umständen.
Herrick beugte sich vor, seine Augen glänzten ärgerlich.
»Wenn die Verzögerung mit dem Kriegsgericht zusammenhängt, Mylord, dann verlange ich …«
»Verlangen? Was verlangen Sie denn, Admiral Herrick?«
Sillitoes Stimme stieß zu wie ein Degen »Sie hatte eine faire Verhandlung, obwohl es an verläßlichen Zeugen fehlte. Die Sturheit, mit der Sie auf einen Verteidiger verzichteten, und die meisten Umstände sprachen eher gegen Sie. Trotzdem wurden Sie freigesprochen! Ich denke, Sie sind nicht in der Position, irgend etwas zu verlangen!«
Herrick stand auf. »Ich muß diese Bemerkungen nicht hinnehmen, Sir!«
Godschale blieb hart. »Ich fürchte, Sie müssen. Selbst ich beuge mich Sir Pauls Autorität.« Er haßte dieses Eingeständnis, aber es war die Wahrheit.
»Dann bitte ich, gehen zu dürfen, Mylord«, sagte Herrick.
»Auch ich habe meinen Stolz.«
Sillitoe wurde jetzt freundlicher. »Bitte, nehmen Sie wieder Platz. Wir sind keine Gegner, jedenfalls noch nicht. Und bitte verwechseln Sie Verachtung nicht mit Stolz, denn genau die empfinden Sie.« Er
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