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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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wenigstens was zu tun.«
    John? So hatte ihn der Admiral noch nie genannt. Allday war es, als berühre ihn eine kalte Hand. In wenigen Augenblicken konnten sie alle tot sein. Aber vielleicht würde ihnen vorerst nichts geschehen – bis der Rum gewann und die Aussicht, sich mit zwei Frauen zu vergnügen. Dann mußten die letzten Barrikaden, die Lincolns Autorität noch aufrechthielt, zusammenbrechen.
    Tasker ging zu den Speigatten und beugte sich über die Leiche. Nachdem er dem Toten einen Geldbeutel aus dem Gürtel gezogen hatte, deutete er mit dem Daumen aufs Wasser. »Über Bord mit ihm!« Er drehte sich nicht einmal um, als der Tote ins Wasser klatschte, sondern dachte wieder an die arrogante weiße Lady und an die schreienden, schwarzen Sklavinnen, über die seine Männer hergefallen waren.
    Unter Taskers Füßen schnallte Jenour seinen Degen ab und blickte durch die offene Stückpforte. Das ging alles viel zu schnell. Er nickte Ozzard zu und legte dem schmächtigen Mann eine Hand auf die Schulter, wie Bolitho es immer tat, wenn er Menschen mit seiner Berührung Sicherheit und Selbstbewußtsein geben wollte.
    Ozzard flüsterte. »Passen Sie gut auf sich auf, Sir. Wir mögen Sie alle sehr …«
    Jenour begann, sich durch die Stückpforte zu winden. Es war nicht leicht, die Schultern hindurch zu bekommen, aber das hatte er erwartet. Er schaute nach unten und sah das Kupferblech, mit dem der Rumpf beschlagen war; es glänzte in der Gischt. Dann erblickte er über sich die Besanrüsten, sah die Jungfern, das geteerte Gut und die zitternden Webleinen. Die Drehbasse war da oben irgendwo – aber noch unsichtbar.
    Er drückte sich gegen das warme Holz, als eine Leiche über das Schanzkleid rutschte und unter ihm ins Wasser schlug. Im Fallen hatte ihn eine schlaffe Hand berührt. Nun wartete er auf einen Schuß oder den Biß eines der Enterhaken, die um den Besanmast festgelascht waren. Nichts.
    Unter ihm schäumte das Wasser, das der scharfe Steven der Barkentine teilte. Einen Augenblick lang starrte Jenour in das schwarze, leere Auge eines Hais, der sich schnell herumwarf und hinter dem versinkenden Körper herjagte.
    Jenour biß die Zähne zusammen, zog sich zu den Rüsten hoch, drehte sich um und hockte sich auf den Balken. Er wartete eine Ewigkeit, ehe er den Kopf zu heben wagte. Das Schanzkleid war nur zwei Fuß entfernt – jeden Augenblick konnte jemand darüber schauen und ihn entdecken. Obwohl er nichts gehört hatte, waren vielleicht alle schon getötet worden. Er dachte an seinen unvollendeten Brief und an die Zeichnungen, die nun seine Familie in Southampton niemals erreichen würden. Seine Augen brannten. Da zwang er sich, in das klare Wasser zu blicken. Zwei Haie waren es jetzt. Lange würden sie nicht mehr warten müssen.
    An Deck kam gerade die erste, mit kräftigen Eisenbändern beschlagene Kiste aus der Last hoch, von den Meuterern gebannt beobachtet. Die meisten jubelten und schwenkten die Krüge mit Rum. Aber Catherine sah auch, daß einige Männer sie gierig anschauten, und suchte wortlos Trost in Bolithos Gesicht.
    Nur kurz bewegten sich seine Augen, und sie folgte unauffällig seinem Blick. Ihr Herz klopfte plötzlich so wild, daß sie die Hand auf die Brust legte. Sie hatte gesehen, was Bolitho gemeint hatte: Jenours Hände griffen nach den Webleinen, während unmittelbar unter ihm an der Drehbasse zwei Männer im Schatten lagen. Ein Laut – und sie würden ihn sofort entdecken.
    Lincoln trank einen Schluck, rülpste laut und sah, wie sich Catherine an die Brust faßte.
    »Das ist der Platz für meine Hand!«
    Sie wandte sich ihm zu und hob die Arme, um ihr Haar zu lösen. Sie roch seinen nach Rum stinkenden Atem, den Dreck und Schweiß seines Körpers, als er ihr die Arme um die Hüften legte und ihren Busen anstarrte. Bewegungslos ertrug sie es, daß seine Hände ihren Körper abtasteten. Schließlich sagte sie: »Ich lasse mein Haar herunter …« Krampfhaft bemühte sie sich, nicht an Bolitho zu denken.
    Dann zog sie mit sicherem Griff den langzinkigen Kamm aus ihrem Haar, hob ihn hoch über den Kopf und stieß ihn mit aller Kraft in Lincolns Augen.
    Er taumelte zurück und schrie vor Schmerzen auf. Der verzierte Kamm ragte wie ein obszönes Gewächs unter seiner Stirn hervor.
    Jemand ließ eine Muskete fallen, der Schuß löste sich; Männer, die zu den Waffen greifen wollten, hielten inne und sahen wie gelähmt zu, als Lincoln sich an Deck wälzte, während seine schweren Seestiefel auf

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