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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Schreie und Rufe kamen aus der Last, dann erschien ein Meuterer mit angstgeweiteten Augen am Luk und kletterte nach oben.
    »Ich will nicht mit dem Schiff untergehen!« brüllte er. »Ich will …« Weiter kam er nicht. Um sich schlagend, stürzte er den Niedergang hinunter. In der Sonne blitzte das Entermesser auf, das ihm jemand von unten zwischen die Schultern gerammt hatte.
    Bolitho trat zum Bootsmann, der mit geladener Muskete den Niedergang bewachte, und rief hinunter: »Seid keine Narren!« Selbst bei dem frischen Wind konnte er den Rum riechen. Die da unten waren wohl voll bis zur Halskrause: verzweifelte Männer, die in Gold und Alkohol ihre letzte Hoffnung sahen.
    Tasker rief zurück: »Laßt euch nicht bluffen! Bezant kennt das Riff ganz genau. Der wird sein kostbares Schiff bestimmt nicht auf Grund setzen!«
    Bolitho schwieg. Mit jeder Minute wurde ihre Lage schwieriger. Als er nach achtern blickte, sah er Allday mit einem zweiten Rudergänger am Rad stehen. Sein Bootsteurer schüttelte den Kopf. Die
Golden Plover
würde es nicht schaffen. Der Winddruck bei verkleinerter Segelfläche und die starke Strömung am Hundertmeilenriff waren zuviel für das Schiff.
    Die Luke über der Last wurde geschlossen. Bolitho meinte, wildes Gelächter zu hören, als man sie von unten verschalkte. Dies würde der kostbarste Sarg aller Zeiten werden, dachte er. Es kamen keine Kisten mehr, die man über Bord hieven konnte.
    »Schicken Sie Owen zum Loten vorne in die Rüsten, Val, und lassen Sie ihn die Tiefe aussingen.«
    Er hielt die Hand über sein rechtes Auge und blickte nach oben in den Masttopp mit der tanzenden Flagge. Fast hätte er aufgeschrien, denn sein anderes Auge schien nur Nebel zu sehen und schmerzte vor Salz.
    In der Achterkajüte stand Catherine in einem Chaos von herabgefallenen Büchern und rutschenden Stühlen. Durch die Heckfenster sah sie die endlose Folge weißer Wellenkämme und spürte das Ruder rucken, als wolle es sich vom Schiff lösen. Sie ballte die Fäuste und schloß die Augen vor Angst. Jetzt wurde sie gebraucht – mehr als je zuvor.
    Sophie kauerte vor der Tür und zitterte noch vor Schreck.
    »Hilf Ozzard, das Gepäck zum Niedergang zu bringen.« Aus einem Seesack fischte sie eine weiße Kniehose und eins der Hemden, die Ozzard gestern gebügelt hatte. Erst gestern?
    »Geh schon an Deck!« sagte sie.
    Mit piepsiger Stimme wollte Sophie wissen: »Müssen wir sterben, Mylady?«
    Catherine lächelte mit staubtrockenem Mund. »Wir sind auf alles vorbereitet, Mädchen.« Sie freute sich, als Sophie tapfer antwortete: »Ich wünschte, wir wären zu Hause, Mylady.« Dann wandte sie sich ab, damit Sophie ihre Besorgnis nicht sehen konnte.
    Als die Zofe gegangen war, öffnete Catherine ihr Kleid und ließ es zu Boden sinken, zusammen mit den Unterröcken. Nackt stand sie in dem wäßrigen Sonnenlicht wie eine Göttin in einem heidnischen Ritual. Schnell zog sie die weiße Kniehose an, dazu Bolithos Hemd, und band ihr Haar mit einem dunkelroten Band zurück. Sie sammelte die Unterröcke ein und faltete sie. Von Wunden verstand sie genug um zu wissen, daß Bezant dringend Verbände brauchte. Als sie die leichten Schuhe abstreifte, fiel einer auf ihr Kleid, auf dem noch Lincolns Blut glänzte. Ihr wurde schlecht, und diesmal konnte sie sich nicht mehr zusammennehmen.
    Draußen traf sie Ozzard am Niedergang, ein kleiner Rucksack hing über seiner Schulter. Er wußte Bescheid. Schließlich war er mit den anderen auf der
Hyperion
gewesen, als sie sank. Wer also konnte die Zeichen besser deuten als er?
    »Danke fürs Warten.« Er schaute auf ihre nackten Beine, und sie begriff, daß er sie beobachtet hatte, als sie nackt vor den Fenstern stand. Aber irgendwie war das jetzt ganz unwichtig.
    Sie hielt sich am Handlauf fest, als jemand draußen rief: »Kein Grund, Sir!« Das war die Stimme des Lotgasten, die der Wind bis hierher wehte. Sie schauderte. Es klang wie eine Geisterstimme aus der Hölle.
    »Was heißt das?«
    Ozzard schreckte aus seinen Gedanken auf. »Wir sind über tiefem Wasser, Mylady. Es ist noch nicht soweit.«
    Bolitho drehte sich um, als Catherine über die nassen Planken tappte. Sie wartete, daß das Deck wieder sank, und ließ sich an seine Seite tragen.
    »Die Hose habe ich aus deinem Seesack, Richard. Jetzt ist wohl nicht die rechte Zeit für schöne Kleider.«
    Keen sah sie an und schüttelte den Kopf. Er hörte sie auflachen und meinte, Bolitho so etwas wie »bezaubernd« sagen zu

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