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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Draußen sah sie Bolithos einarmigen Verwalter stehen, wie er im staubigen Licht der Abendsonne die leere Straße hinunterblickte.
    Plötzlich glaubte sie, den Schmerz und die Einsamkeit nicht mehr ertragen zu können. Laut schrie sie die Familienporträts an: »Seid ihr nun zufrieden? Da reitet er davon, der letzte der Bolithos.« Tränenblind blickte sie sich wild um. »Habt ihr das so gewollt?«
    Aber nur Stille antwortete ihr.
    Zenoria wußte weder, wie spät es war, noch wie lange sie geschlafen hatte. Ihr war, als habe jemand ihren Namen gerufen. Sie schlüpfte aus dem Bett und trat ans Fenster. Die Nacht war warm, ein heller Halbmond warf glitzerndes Silber über die See.
    Sie lehnte sich weit aus dem Fenster, bis ihr der Morgenmantel von einer Schulter rutschte. Aber das spürte sie nicht, wie sie auch nicht an die Narbe dachte, die jetzt sichtbar wurde: ein Zeichen der Unverzagtheit – aber für sie war es nur eine Erinnerung an Schande und Erniedrigung.
    Sie konnte das Land riechen, die Schafe, die Rinder, und dachte an die Pläne, von denen Catherine ihr berichtet hatte; Pläne, die Bolithos Besitzungen wieder lebendig und profitabel machen sollten.
    Dann hörte sie es – nicht Worte, sondern Laute des Schmerzes – und sah sich in der Dunkelheit um. Sie hatte Adam nicht zurückkehren hören und damit gerechnet, daß er über Nacht bei den Roxbys bleiben würde.
    Im nächsten Augenblick stand sie auf der Treppe. Ihre nackten Füße liefen lautlos über die Teppiche. Mit dem Licht der Kerze leuchtete sie in jedes einzelne Gesicht auf den Porträts an der Wand. Dann sah sie Adam. Er saß am Tisch, das Gesicht in den Armen begraben, und schluchzte, als ob sein Herz bräche. Hut, Degen und die Uniformjacke mit den glänzenden Litzen hatte er über einen Stuhl geworfen; es roch nach Brandy.
    Er blickte auf, als sie mit der brennenden Kerze vor ihm stand. »Ich wollte Sie nicht wecken …«
    Zenoria hatte noch nie einen Mann – schon gar nicht in so tiefer Verzweiflung – weinen hören.
    Sie flüsterte: »Hätte ich etwas geahnt, wäre ich früher gekommen.« Sie sah seine Hand über dem Brandyglas schweben und sagte: »Trinken Sie ruhig. Ein Schluck würde auch mir guttun.«
    Er holte ein zweites Glas und sah, wie sie die Kerze abstellte und sich vor dem schwarzen, kalten Kamin auf dem Teppich zusammenkauerte. Als er vorbeiging, strich er ihr übers Haar wie einem Kind. Vor dem Bolithowappen blieb er stehen und fuhr die Linien nach, wie es schon viele vor ihm getan hatten.
    »Was ist geschehen?« Zenoria fühlte, wie der Brandy in ihrer Kehle brannte. Erst einmal hatte sie bisher, mehr aus Neugier, dieses starke Getränk gekostet.
    »Der Squire war sehr freundlich.« Adam schüttelte den Kopf, als sei er von dem Geschehen immer noch betäubt.
    »Aber die arme Tante Nancy! Immer wieder wollte sie wissen, wie es wohl passiert war.« Er seufzte tief. »Was sollte ich ihr sagen? Es ist das Los eines Seemanns. Der Tod kann aus jeder Ecke der Windrose kommen.« Plötzlich mußte er an Allday denken. Es war wenigstens ein Trost, daß sie auch im Tode zusammengeblieben waren.
    Abrupt sagte er: »Ich bin heute kein guter Gesellschafter, Zenoria. Ich ziehe mich besser zurück.«
    Sie beugte sich im Sitzen vor, um das Glas abzustellen, und hörte ihn fragen: »Was ist das? Was hat man Ihnen da angetan?«
    Schnell bedeckte sie ihre nackte Schulter, aber er kniete schon hinter ihr. Sanft schob er ihr Haar zur Seite und spürte, wie sie zu zittern begann, als Licht auf ihre Narbe fiel.
    »Oh – ich würde jeden umbringen, der dich so mißhandelt!«
    Sie versuchte stillzuhalten, als er den Kopf beugte und die Narbe auf ihrem Rücken küßte. Ihr Herz pochte so laut, daß sie meinte, das ganze Haus damit zu wecken. Aber sie fürchtete sich nicht mehr. Wo sie bisher nur Widerwillen gekannt hatte, spürte sie jetzt Einverständnis; es erfüllte sie ganz und gar. Sie konnte keinen Widerstand leisten, als er mit seinen Lippen über ihre Schulter und ihren Hals glitt. Erst als er das Band um ihre Taille löste, begann sie sich zu wehren.
    »Bitte, Adam, nicht! Nein, nicht!«
    Doch das Nachtkleid glitt herab, und sie fühlte, wie seine Hände sie streichelten, während er wieder die furchtbare Narbe küßte, die von ihrer rechten Schulter zu ihrer linken Hüfte verlief.
    Er drückte sie sanft auf den Teppich. Als sie nackt und weiß wie Marmor im Mondlicht dalag, wußte sie, was jetzt geschehen würde, unausweichlich und nicht

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