Das letzte Riff
mehr aufzuhalten.
Sie schloß die Augen, als er ihren Mund küßte und ihr die Hände über dem Kopf festhielt, wobei er immer wieder ihren Namen flüsterte.
Sie wartete auf den Schmerz, aber er kam nicht. Da erwiderte sie seine Küsse, und nichts tat mehr weh.
Später trug er sie in ihr Zimmer hinauf, saß neben ihr und sah sie an, bis die Morgensonne die Schatten der Nacht vertrieb. Erst dann trank er sein letztes Glas Brandy und verließ sie.
Die Kerze war schon lange erloschen, als das erste Sonnenlicht in die große Halle fiel und auch die Familienbibel beleuchtete, in der all die toten Helden aufgeführt waren, ohne die Frauen, die auf sie gewartet hatten.
Jetzt waren sie alle nur noch Schatten.
Ein armer Teufel
Wer die See nicht kannte, hätte nie geglaubt, wie sehr sich ihr Aussehen ändern konnte, nachdem sie von dem gefährlichen Hundertmeilenriff freigekommen waren. Die kräftige Bö hatte sich ausgeweht, der gewaltige Ozean lag nun ringsum ungebrochen da und glänzte im Mittagslicht wie ein Spiegel.
Bolitho kroch nach vorn in den Bug des Bootes, wo ein Stück Leinwand aufgeriggt war, das den beiden Frauen ein Minimum an Sichtschutz bot. Catherine erwartete ihn schon. Ihr Hemd war dunkel vor Schweiß, und ihre Stirn zeigte Spuren von Sonnenbrand. Sie ergriff seine Hand und half ihm, sich auf die Bodenplanken zu setzen, so daß er gegen die Bordwand gelehnt entspannen konnte.
»Laß mich sehen …« Sie nahm sein Gesicht zwischen beide Hände und öffnete mit großer Vorsicht sein linkes Lid. »Ich werde einen Verband darüber legen«, sagte sie so leise, daß niemand mithören konnte. »Du mußt das Auge schonen.«
Allday saß achtern an der Pinne, als habe er sich seit Stunden nicht bewegt. Vor drei Tagen war die
Golden Plover
vom Riff gerutscht und gesunken. Stundenlang hatten sie gerudert und es mit Hilfe eines Masts und eines Segels geschafft, der starken Unterströmung zu entkommen und Ostkurs zu halten, auf das afrikanische Festland zu. Doch soweit sie sahen, schienen sie nicht voranzukommen. Catherine versuchte, sich vorzustellen, wie dieses kleine, nur sieben Meter lange Boot auf einen Betrachter gewirkt hätte, jetzt, da es an einem Treibanker aus Segeltuch hing, während die Männer an den Riemen pausierten. Vielleicht wie ein verschrumpeltes Blatt auf einem riesigen See, den kein Wind und keine Welle kräuselten. An Bord selbst bot sich ein ganz anderes Bild. Außer Owen, der während der Meuterei im Mast gesessen hatte, hockten noch zwei Matrosen in der Jolle: Elias Tucker, ein ängstlicher Junge aus Portsmouth, und Bill Cuppage, ein sehr harter Mann, der mit starkem nordenglischem Akzent sprach; zusammen mit Bezant, der im Delirium vor Schmerzen stöhnte, waren dreizehn Seelen an Bord.
Catherine nahm eine Bandage, die sie aus ihrem Unterrock gerissen hatte, und band sie Bolitho sorgfältig so um die Stirn, daß sie sein salzgerötetes Auge ganz bedeckte.
Bolitho berührte den Verband. »Wasser? Du hast dazu Süßwasser benutzt, Kate!« sagte er vorwurfsvoll.
Sie schob seine Hand zur Seite. »Ruh’ dich aus. Du kannst nicht alles selber machen.«
Er lehnte sich zurück, und sie schob einen Arm unter seinen Kopf. Ihre Worte erinnerten ihn an Admiral Godschale. Was würde er wohl tun, wenn ihm die
Golden Plover
als gesunken gemeldet wurde? Bolitho holte tief Luft, als Catherine die Persenning anhob, um ihn vor der erbarmungslosen Sonne zu schützen. Drei Tage – und kein Ende der Reise abzusehen. Würden sie jemals Land erreichen? Und selbst wenn, konnte es feindliches Gebiet sein. Denn hier wurden illegal Sklaven gefangen, und jeder Weiße war folglich ein unliebsamer Zeuge.
Bolitho öffnete sein gesundes Auge und musterte die Bootsinsassen. Er hatte zwei Wachen eingeteilt, die nach Sonnenuntergang ruderten und jeden Windhauch nutzten, um ein Segel zu setzen. Allday sah ihn ausdruckslos an. Sicherlich war er unzufrieden, daß Bolitho ihn wegen seiner alten Wunde an die Pinne befohlen hatte. Ozzard beugte sich über einen Rucksack und zählte ihre Vorräte; der schmächtige Mann zog unerwartete Kraft aus seiner neuen Rolle als Proviantmeister. Bolithos Sekretär, der rundliche Yovell, hing erschöpft über seinem Riemen. Wie die Jenours waren auch seine Hände bandagiert. Für die mörderische Arbeit des Ruderns war er nie ausgebildet worden, aber seine in den Nähten aufgerissene Jacke zeigte, wieviel Mühe er sich damit gegeben hatte.
Und dann Tojohns … Ohne dessen Kräfte
Weitere Kostenlose Bücher