Das letzte Riff
und eiliges Stühlescharren, als Adam eine Pistole hervorzog und sie sorgfältig prüfte. Er ließ sich Zeit. Immer war es dasselbe: Lügen über seine Familie, Versuche, sie anzuschwärzen – doch die Drahtzieher hielten sich feige im Hintergrund.
Der Bauer sagte fast unter Tränen: »Bitte, Kapitän, ich hatte nur zuviel getrunken!«
Adam sah an ihm vorbei zu einer einzelnen Kerze in einem Messinghalter hinüber. Sie brannte ständig, damit die Herren ihre Fidibusse daran entzünden konnten, wenn sie Pfeife rauchen wollten.
Das Krachen des Schusses widerhallte als Schreckensschrei aus der Küche. Die Flamme war erloschen, doch die Kerze unversehrt. Ehe er seine Pistole wieder unter den Mantel steckte, fragte er leise: »Wer hat Ihnen den Unsinn erzählt?«
Ein Wächter, der auf jeder Kutsche bewaffnet neben dem Kutscher mitfuhr, erschien mit schußbereiter Waffe in der Tür, verschwand aber sofort wieder, als er die beiden Schulterstücke des Kapitäns gewahrte.
Der Bauer ließ den Kopf hängen. »Irgendein junger Spund, Sir. Ich hätte mir denken können, daß er log. Aber er sagte, er gehöre mit zur Familie.«
Adam war sofort klar, wer das gewesen war. »Er hieß Miles Vincent, nicht wahr?«
Der Bauer nickte unglücklich. »Ja. Es war auf dem Marktplatz in Falmouth.«
»Gut. Wir werden sehen.« Adam verließ den Raum, in dem jetzt niemand mehr sprach, und hielt nur kurz an, um dem Wirt ein paar Münzen in die Hand zu drücken. »Entschuldigen Sie.«
Mit einem Blick hatte der Wirt sie gezählt und war beeindruckt. Die Kugel war in die Holztäfelung eingedrungen, er würde sie dort lassen, vielleicht sogar eine kleine Messingtafel über ihr anbringen, auf der die Gäste den Hergang erfahren konnten.
Sarah wartete an der Kutsche, an der die Gäste mit abgewendeten Gesichtern vorbeiliefen, um den Offizier nicht zu reizen.
Adam nahm ein Goldstück aus seinem Geldbeutel und sagte: »Paß auf dich auf, Sarah. Und verkauf dich nicht zu billig.« Er ließ die Münze in ihren Ausschnitt gleiten. »Für eine Kellnerin, die keinen Brandy verkauft, verstehst du es ganz gut, einem Mann einzuheizen.«
Die Kutsche war schon lange außer Sicht und ihr Hörnerklang kaum noch zu hören, als die Gäste im Schankraum ihr Gespräch wieder aufnahmen. Pulverrauch hing immer noch unter der niedrigen Decke. Der Bauer verteidigte sich. »Wie hätte ich das ahnen können?« Aber keiner sah ihn an. Nur der Wirt wandte sich ihm zu: »Seth, das wäre beinah’ dein letzter Atemzug gewesen.«
Sarah zog die Münze aus ihrem Mieder und sah sie sich genau an. Sie fühlte noch seine Fingerspitzen und erinnerte sich, wie freundlich er mit ihr gesprochen hatte. So hatte man sie noch nie behandelt. Das würde sie ihm nie vergessen. Sorgfältig verwahrte sie die Münze und sagte mit Tränen in den Augen: »Gott schütze Sie, Kapitän!«
Adam schaute aus dem staubigen Fenster der Eilpost auf die vorbeiziehende Landschaft. Seine Reisegefährten schliefen oder taten wenigstens so. Er selber mußte immer wieder an Zenorias Gesicht denken und an ihr langes, schönes Haar.
»Das Mädchen mit den Mondscheinaugen« hatte sein Onkel sie einmal genannt.
Er hatte sich im »Royal George« wie ein Narr benommen, das war ihm jetzt klar. Kapitän hin oder her, es hätte das Ende seiner Karriere bedeutet, wenn er den Bauern im Duell getötet hätte. Und es hätte Schande auf seinen Onkel gehäuft. Warum handelte er bloß so heißblütig?
Miles Vincent – natürlich. Wahrscheinlich hatte ihm seine Mutter all die Verleumdungen eingeflüstert. Ihr Motiv war leicht zu erkennen: Haß, aber auch Neid und Rache. Oder waren es andere Gründe? Er mußte an seinen Vater denken. Von einem alten Master, der Hugh Bolitho gut gekannt hatte, hatte er viel über ihn erfahren. Sein Vater war jähzornig gewesen und schnell bereit zum Duell, wenn er sich gereizt fühlte. Das Andenken an ihn hing noch immer wie eine Gewitterwolke über dem Haus in Falmouth. Ich werde nicht den Fehler machen, in seinem Kielwasser zu segeln, dachte Adam.
Zum ersten Mal auf dieser Reise sah er das Meer. Schwaches Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser. Da dachte er an sein Schiff:
Anemone
, Tochter des Windes. Sie würde jetzt seine Liebe sein.
Bryan Ferguson beäugte vom Küchentisch aus seinen Freund am Fenster. Er wollte eigentlich lächeln, aber dann schien ihm der Augenblick doch zu ernst für Heiterkeit.
Allday rückte sein bestes Jackett zurecht, das mit den glänzenden
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