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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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mischte.
    In diesem Augenblick kam Mrs. Polin durch die Tür und blieb wie angewurzelt stehen, als sie ihn erkannte. Mit einer Hand versuchte sie, sich einen Mehlfleck von der Wange zu wischen, mit der anderen schob sie eine lose Haarsträhne aus der Stirn.
    »Oh, Mr. Allday! Ich dachte, es ist der Eiermann. So eine Überraschung – ich sehe schrecklich aus!«
    Mit aller Vorsicht durchquerte er den Raum und legte ein Päckchen auf den Tisch an der Wand. »Hab’ Ihnen ein Geschenk mitgebracht, Mrs. Polin. Hoffentlich gefällt’s Ihnen.«
    Sie wickelte es langsam aus, während er ihr aufmerksam zusah. Sie und schrecklich aussehen? Sie stand ihm näher als je eine Frau zuvor.
    Ohne aufzublicken, sagte sie leise: »Ich heiße Unis!« Und dann hob sie strahlend ein kleines Modellschiff ans Licht, an dem Allday in all den Wochen seiner Reise nach Kapstadt gearbeitet hatte. Er erklärte nichts dazu, aber sie spürte, es war die alte
Hyperion
.
    »Ist das wirklich für mich?« Mit glänzenden Augen sah sie ihn an. Dann griff sie mit beiden Händen nach seiner Pranke.
    »Danke, John Allday.« Sie lächelte ihn an. »Und willkommen zu Hause.«

Abschied
    James Sedgemore, Erster Offizier der
Black Prince
, unterbrach sein endloses Auf- und Abgehen und nahm ein Teleskop aus den Händen des Midshipman der Wache entgegen. Sehr genau beobachtete er alles um sich herum. Das Schiff sollte bald ankerauf gehen und reagierte schon auf den Wind. Masten und Rigg zitterten, hoch über Deck arbeiteten winzige Figuren in dem Gespinst der Takelage.
    Sedgemore suchte mit seinem Glas den Kai ab und die Treppe, die zum Wasser hinabführte. Die Barkasse der
Black Prince
wartete dort, im ruhigen Wasser nur durch gelegentliche Riemenschläge gehalten, auf Sir Richard Bolitho. Tojohns, der Bootssteurer des Kommandanten, würde schon dafür sorgen, daß das Boot nicht zu Schaden kam und alles wie am Schnürchen lief.
    Das ganze Schiff summte von Gerüchten und Geschichten, die Tojohns mit an Bord gebracht hatte. Da war vom Schiffsuntergang die Rede, von einer Meuterei, von menschenfressenden Haien und immer wieder von der Lady des Admirals, die alles mit den Männern durchgestanden hatte.
    Jemand schrie auf, als ein Gehilfe des Bootsmanns ihn mit dem Tampen auf Trab brachte. Es würde allen nur gut tun, endlich wieder auf See zu sein, dachte Sedgemore. Die meisten Offiziere waren genauso unerfahren wie ihre Männer, von denen mehr als die Hälfte noch nie auf einem Schiff des Königs gedient hatten. Wir werden es ihnen schnell beibringen, dachte er grimmig. Wegen der Dummheit von Landratten würde er seine Beförderungschancen nicht aufs Spiel setzen. Er musterte das Deck unter seinen Füßen. Hier hatte eine feindliche Kanonenkugel seinen Vorgänger in zwei Teile zerrissen. Der Tod eines Kameraden war oft Anlaß für die Beförderung eines anderen. Man dachte dann nicht lange nach, sondern sagte ja, weil eine solche Chance sich nur selten bot.
    Sedgemore dachte auch an seinen Kommandanten, der ganz verändert von dieser Reise nach Kapstadt zurückgekehrt war. Den zeitweiligen Ersatz für Kapitän Keen hatte man nach der unseligen Kollision schnell wieder abgelöst. Damals hatte er selbst, Sedgemore, verdammtes Glück gehabt. Er war mit Depeschen für den Hafenadmiral an Land gewesen, deshalb konnte ihm niemand einen Vorwurf machen.
    Gut, daß Kapitän Keen wieder an Bord war. Der andere hatte sich so abweisend verhalten, daß keiner ihn kennenlernen konnte. Keen war fröhlich an Bord zurückgekehrt und strahlte Selbstvertrauen aus. Sogar der ungewöhnlich hohe Anteil von Landratten und Knastbrüdern unter der Besatzung verdarb ihm nicht die Laune.
    Aber einen kniffligen Augenblick hatte es doch gegeben. Die
Black Prince
war ankerauf gegangen und durch die enge Hafeneinfahrt gesegelt, um vor Spithead zu ankern, bei ungewöhnlich starkem Wind. Sedgemore hatte gespürt, wie ihm die Haare zu Berge standen, als das große Schiff ganz dicht am Portsmouth Point und seinen Untiefen vorbeigerauscht war; die Häuser an Land schienen nur ein paar Meter entfernt zu sein. Keen hatte nur gelächelt, als sich seine Männer in die Brassen warfen und gleich mehrere den Rudergängern halfen. Keen hatte sich benommen wie ein junger, wagemutiger Draufgänger, der er aber noch zu Beginn der Kriegsgerichtsverhandlung gegen Konteradmiral Herrick nicht gewesen war. Lag’s daran, daß er die Gefahren im offenen Boot glücklich überstanden hatte – oder an der

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