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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Rückkehr in die Arme seiner jungen Frau? Wahrscheinlich an beidem.
    Sedgemore lächelte zufrieden. Ja, es war gut, wieder auf See zu kommen. Offenbar ging es nicht nach Portugal, sondern nach Westindien. In jedem Fall würde er außer Reichweite seiner Schuldner sein, bis sein Glück sich wendete. Sedgemore war fast krankhaft ehrgeizig: ein eigenes Kommando, danach Kapitän mit vollem Rang – das alles hatte er sich vorgenommen. Seine einzige Schwäche war das Glücksspiel. Die Zeit in der Karibik würde ihm gut tun – bis zum nächsten Mal. Unter Sir Richard Bolithos Kommando waren seine Beförderungschancen sicher noch besser.
    Jenour und Yovell erschienen kurz an Deck, verschwanden aber schnell wieder. Jenour schien bedrückt, er redete nicht viel. Dabei war er vordem ein lebhafter Offizier gewesen, voller Geschichten, mit denen er seine Messekameraden unterhielt. Nun ja, man würde bald wissen, was mit ihm los war. Nach ein paar Wochen auf See gab es keine Geheimnisse mehr.
    Der Vierte Offizier Robert Whyham meldete: »Die Barkasse legt ab, Sir!«
    »Ich melde es dem Kommandanten. Lassen Sie die Ehrenwache antreten.« Er mochte Whyham, den einzig Übriggebliebenen von den alten Messekameraden. In den letzten Monaten war er vom Sechsten zum Vierten Offizier befördert worden. Sedgemore beneidete ihn. Nicht nur, weil Whyham auf dem früheren Flaggschiff, der französischen Prise
Argonaute
, schon unter Keen gedient hatte. Ihr tapferer Kampf hatte sie berühmt gemacht, aber Sedgemore dachte über diese Schattenseiten seines Berufs nicht gerne nach. Er blickte sich noch einmal um. Nichts lag im Weg, wofür man ihn verantwortlich machen konnte. »Sagen Sie dem Midshipman der Wache, er soll vorn alles vorbereiten und die Flagge des Admirals schon anschlagen. Er ist mir dafür verantwortlich, daß sie beim letzten Salutschuß ausweht.«
    Whyham berührte grüßend seinen Hut »Aye, aye, Sir!«
    Auch die beiden Offiziere der Seesoldaten gehörten zur ursprünglichen Besatzung. Diesmal machten die Seesoldaten ein Achtel der achthundert Offiziere und Mannschaften der
Black Prince
aus.
    Leutnant Sedgemore zupfte sich die Revers glatt und nahm seinen Hut ab, als er vor dem Posten stand, der die Kajüte des Kommandanten bewachte.
    Eines Tages wird so ein Soldat auch vor meiner Kajüte stehen.
Einen Augenblick fürchtete er, das laut gesagt zu haben. Aber dann schaute er dem Posten in die Augen und sah darin nur die übliche Leere.
    Er klopfte an die dünne Tür. »Kapitän Keen, Sir?«
    Der Kommandant der
Black Prince
stand exakt unter dem Skylight in seiner Tageskajüte und schaute durch das schaumbespritzte Glas nach draußen. Der Himmel war grau, die Wolken jagten schnell vor gelegentlichen Schauern und Böen einher, die sich am Rumpf und den hohen Aufbauten verfingen. Das Einrücken war dann jedesmal bis hier tief unten zu spüren.
    Keen betrachtete Jenour, der halbherzig ein paar Papiere prüfte, die Yovell zur Unterschrift vorgelegt hatte. Er konnte sich kaum noch vorstellen, wie Jenour mit verbundenen Händen im offenen Boot gesessen und an seinem Riemen gepullt hatte. Er konnte sich auch das Blut nicht mehr vorstellen, das auf den Bodenbrettern stand, als Allday dem Skipper der
Golden Plover
das Bein amputiert hatte, in dem der Wundbrand wütete. Genaugenommen konnte Keen auch sich selber nicht mehr in der Jolle vorstellen.
    Er wußte, was Jenour bedrückte. »Irgendwann mußte es ja mal passieren«, tröstete er ihn. »Sie sind länger Flaggleutnant bei Sir Richard gewesen als andere vor Ihnen. Er schätzt Sie sehr, und damit kann er es Ihnen beweisen. Das gehört sich so.«
    Jenour tauchte aus seinen dunklen Gedanken auf. Bolitho hatte ihm selber gesagt, was er vorhatte: Sobald sich in Westindien die erste passende Gelegenheit ergab, würde er ihn zum Kommandanten eines Schiffes machen. Das war so Brauch, und in seinem Herzen wußte Jenour, daß es auch unausweichlich war. Aber er wollte seinen Vizeadmiral nicht verlassen. Er gehörte zu der kleinen Schar Auserwählter. Sie wurde zwar immer kleiner, doch davor hatte er nie Furcht gehabt.
    Keen hielt Jenours Schweigen für beharrliche Zweifel und sagte: »Sie können die Verantwortung nicht einfach abweisen. Das ist ein Vorrecht, kein Anrecht, wie andere Männer und auch ich längst erkannt haben. Früher waren Sie weniger sicher.« Er lächelte. »Man könnte auch sagen, weniger reif. Aber Ihre Erfahrung ist mit Ihnen gewachsen. Sie wird jetzt mehr denn je

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