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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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Gewissen, weil sie ihn nicht vorwarnte. Er besaß bestimmt eine Unmenge von Schuhen.
    »Das ist kein Anzug«, gab Matthias halb beleidigt zurück. »Das ist ein Jackett mit einer separaten Hose. Da gibt es einen Unterschied. Anscheinend wissen Sie das nicht.«
    »Oh, Verzeihung, Mister Kate Moss«, sagte Dóra, mit ihrem Gewissen und der drohenden Misshandlung der Schuhe nun wieder vollkommen im Reinen.
    Matthias ließ ihr das letzte Wort, schloss die Tür und rasselte mit den Autoschlüsseln. »Also dann, wohin soll’s gehen?«
    Dóra schaute auf die Uhr in ihrem Handy. »Es ist jetzt kurz vor vier. Am besten wir beginnen in Skálholt und dann schauen wir mal.«
    »Alles klar, Frau Reiseleiterin«, sagte Matthias, während er nachdenklich ihre Aufmachung musterte. »Ist Ihnen bekannt, dass es hier im Hotel ein ausgezeichnetes Restaurant gibt? Wir müssen nicht auf die Jagd gehen.«
    »Ha, ha«, entgegnete Dóra. »Ich sehe lieber lächerlich aus und friere nicht, als dass ich die ganze Zeit versuche, cool zu wirken.«
    Als sie in Skálholt ankamen, dämmerte es. Sie eilten in die offen stehende Kirche und stießen auf einen jungen Mann, der sie herzlich grüßte und fragte, ob er ihnen helfen könne. Sie erklärten ihm, sie hofften, jemanden anzutreffen, der vor einiger Zeit ihrem Bekannten begegnet sei. Sie beschrieben Haralds Äußeres.
    »Hören Sie«, rief der junge Mann, als Dóra gerade dabei war, die Piercings in Haralds rechter Augenbraue zu beschreiben. »Meinen Sie den ermordeten Studenten? Den hab ich getroffen!«
    »Erinnern Sie sich vielleicht daran, was ihn hergeführt hat?«, fragte Dóra mit breitem Lächeln.
    »Lassen Sie mal sehen – wenn mich nicht alles täuscht, wollte er etwas über Jón Arason und dessen Hinrichtung wissen. Ja, und über Brynjólfur Sveinsson.« Er schaute die beiden an und fügte hastig hinzu: »Das ist nichts Ungewöhnliches – wir haben viele Besucher, die diese Geschichten kennen und mehr darüber wissen möchten. Selbstverständlich haben sie eine gewisse Anziehungskraft, obwohl sie grauenhaft und traurig sind. Die Leute staunen beispielsweise darüber, dass Jón Arason mit sieben Schlägen geköpft wurde; sein Kopf wurde im Grunde zertrümmert.«
    »Ging es dem Studenten nur um die Bischöfe im Allgemeinen?«, fragte Dóra. »Oder interessierte er sich in diesem Zusammenhang für etwas Spezielles?«
    Der junge Mann wendete sich an Matthias. »Ich weiß nicht, wie viel Sie über die Geschichte von Jón Arason wissen.«
    Matthias merkte, dass er angesprochen wurde, und entgegnete: »Ich weiß ungefähr genauso viel über ihn wie über seine Mutter. Nämlich gar nichts.«
    »Ach so.« Der junge Mann konnte seine Empörung nicht verbergen. »Um es kurz zu machen: Jón Arason war der letzte katholische Bischof in Island, er residierte ab 1524 in Hólar im Hjaltadalur, und Skálholt war zeitweise ebenfalls seine Diözese. 1550 wurde er hier in Skálholt geköpft. Dies geschah im Zuge eines Beschlusses des dänischen Königs, Christian III., aus dem Jahr 1537. Er ordnete an, den Katholizismus in Island, wie in den anderen dänischen Herrschaftsgebieten, abzuschaffen. Jón Arason wollte dies verhindern und stritt mit den Anhängern der Reformation, aber es war alles umsonst und er endete auf dem Schafott. Die Hinrichtung ist ziemlich speziell, da er zwei Wochen vorher bis zur nächsten Thing-Versammlung für unantastbar erklärt worden war. Erst dann hätte ein Urteil über ihn und seine beiden Söhne gefällt werden müssen. Sie wurden ebenfalls hingerichtet.«
    Matthias runzelte die Stirn. »Seine Söhne? Er war doch katholischer Bischof. Wieso hatte er Söhne?«
    Der junge Mann lächelte. »Island war eine Art Sonderfall – ich weiß nicht, wie es dazu gekommen war –, aber Pfarrer, Küster und Bischöfe durften Gefährtinnen haben. Sie durften sogar mit einer Frau einen Gütervertrag eingehen, der einem Ehevertrag fast gleichgestellt war. Wenn sie Kinder bekamen, zahlten sie eine Geldbuße, und alle waren glücklich und zufrieden.«
    »Das ist ja praktisch«, sagte Matthias mit verwundertem Gesichtsaudruck.
    »Sehr«, war die amüsierte Antwort. »Ihr Bekannter Harald schien diese Geschichte gut zu kennen; er muss sie ausgiebig studiert haben. Das war jetzt natürlich nur ein Schnelldurchlauf. Aber es führt mich endlich zu ihrer Frage.« Er schaute Dóra an, die ihre Frage schon längst vergessen hatte, aber versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. »Ihr Bekannter

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