Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
Vom Netzwerk:
einen spitzen Schrei aus und ließ ihre Taschenlampe fallen. Sie rollte über den unebenen Höhlenboden und der Lichtschein wirbelte über die gegenüberliegende Wand. »Oh Gott, hab ich mich erschreckt«, sagte Dóra und bückte sich nach der Lampe. »Wir haben nicht damit gerechnet, hier jemanden zu treffen.«
    »Entschuldigung, ich wollte euch keinen Schreck einjagen«, sagte der Mann, der schon recht betagt wirkte. »Aber jetzt sind wir ja quitt«, fügte er hinzu. »Ich hab mich schon lange nicht mehr so erschreckt, wie bei deinem Geschrei eben. Ich habe einen Anruf vom Hótel Mosfell bekommen und die haben mir erzählt, dass Touristen zu den Höhlen unterwegs sind. Ich dachte, ihr hättet vielleicht Interesse an einer Führung. Ich heiße Grímur, mir gehört das umliegende Land. Die Höhlen sind ein Teil davon.«
    »Ja, gern«, sagte Dóra überrascht. Diese Ländereien waren nicht zu verachten. »Wir hätten sehr gern eine Führung – wir wissen nur wenig über diese Gegend.«
    Der Mann betrat die Höhle und begann zu erklären. Er sprach Isländisch und Dóra übersetzte das Wichtigste für Matthias. Unter anderem zeigte Grímur ihnen, wie die Lagerstätten an den Wänden hergestellt worden waren, außerdem einen Entlüftungsschacht, der durch die Decke gehauen worden war, um Luft hinein- und Rauch hinauszulassen, und einen Altar mit einem Kreuz, das die Papar in die Wand gemeißelt hatten. »Aha«, sagte Dóra beeindruckt. »Das ist ja wirklich beachtlich.«
    »Ja, das ist es«, sagte der Mann mit verschmitztem Gesichtsausdruck. »Dieses Land war nicht leicht zu besiedeln, das steht fest. Man musste eine Menge durchmachen, um sich eine Behausung zu schaffen.«
    »Da hast du Recht.« Dóra schaute sich noch einmal mit Hilfe der Taschenlampe um. »Wurden die Höhlen erforscht? Ich meine, könnten sich hier irgendwelche Schätze verbergen?«
    »Schätze?« Der Mann war überrascht. Dann lachte er auf. »Meine Liebe, die Höhle wurde bis 1950 als Stall benutzt. Hier ist kaum etwas zu finden. Es müsste schon verdammt gut versteckt sein.«
    »Hm«, sagte Dóra enttäuscht. »Die ganze Gegend wurde also untersucht?«
    »Nein, das hab ich nicht gesagt«, antwortete der Mann. »Meines Wissens gab es nur einmal eine Ausgrabung in meinen Höhlen.«
    »Wann war das?«, fragte Dóra. »Kürzlich?«
    Der Mann lachte. »Nein, das kann man wohl kaum als kürzlich bezeichnen. Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, aber es ist schon ein paar Jahre her. Wie nicht anders zu erwarten, kam nicht viel bei der Sache herum. Es wurden Reste von Tierknochen gefunden und ein Loch, das wohl zum Kochen verwendet wurde.« Er zeigte auf eine Ausbuchtung in der Erde, unweit des Altars.
    Dóra fragte den Mann am Ende, ob er etwas von Haralds Besuch in den Höhlen mitbekommen habe. Die Beschreibung von Harald sagte dem Mann nichts, aber er betonte, das bedeute nicht unbedingt, dass er nicht da gewesen sei – die Höhlen seien nicht eingezäunt und es gelangten leicht Leute hinein, ohne dass die Bewohner des Hofes davon etwas merkten.
    »Ziehen Sie sich was anderes an, Crocodile Dundee«, sagte Matthias, als sie wieder beim Hotel waren. »Ich bin in der glücklichen Lage, nur meinen Mantel ausziehen zu müssen und direkt an die Bar gehen zu können. So hole ich die Zeit wieder heraus, die ich an diesem Hang vergeudet habe.«
    Dóra schmollte, eilte aber dennoch ins Hotel, um sich umzuziehen. Sie zog eine schicke Hose und eine schlichte, weiße Bluse an, wusch sich das Gesicht und trug ein wenig Lippenstift auf. Man konnte sich ruhig ein bisschen zurechtmachen, wenn man zum Essen eingeladen wurde.
    An der Bar stand Matthias, bereits im Gespräch mit dem Barmann – hoffentlich dieser Óli. Matthias lächelte ihr entgegen, offensichtlich erfreut über ihre Verwandlung.
    »Schick«, sagte er kurz und bündig. »Das ist Óli. Er hat mir von Harald und Harry Potter erzählt, er kann sich gut an die beiden erinnern. Tranken jede Menge und waren anders als die anderen Gäste.«
    »Das ist vorsichtig ausgedrückt«, sagte Óli und fragte Dóra, was sie trinken wolle.
    »Ein Glas Weißwein, bitte.« Sie fragte Óli, was er mit »anders« gemeint habe.
    »Ach, nur so«, entgegnete er. »Sie haben sich einen Tequila nach dem anderen hinter die Binde gekippt, einen auf Luftgitarre gemacht und so – das wird uns hier nur selten geboten. Und dann das Aussehen von diesem Harald. Die anderen Gäste haben nur mit offenen Mündern dagesessen und die

Weitere Kostenlose Bücher