Das Letzte Ritual
war, fügte er hinzu: »Natürlich nicht; wie kommst du denn auf so was?«
»Ich weiß nicht – ich möchte nur nicht, dass die Leute denken, ich würde es darauf anlegen, mit meinen Kollegen zu schlafen. So was hab ich noch nie gemacht.« In Anbetracht der Tatsache, dass sie mit dem betagten Bragi, der nervigen Bella und dem tugendhaften þór zusammenarbeitete, war diese Erklärung eigentlich überflüssig.
»Das hab ich nie gedacht«, sagte Matthias. »Ich bin davon ausgegangen, dass du in diesem Moment einfach mit mir schlafen wolltest – du konntest meinem Sexappeal eben nicht widerstehen.« Er schaute sie neckisch an.
Dóra verdrehte die Augen. »Ich hab einen tierischen Kater. Ich kann noch nicht wieder klar denken.«
Matthias erhob sich. »Ich habe Alka-Seltzer. Ich gebe dir ein Glas, dann fühlst du dich sofort besser.«
Bevor Dóra »nein« schreien konnte – ihr war klar, dass er ebenso wenig bekleidet war wie sie –, war Matthias schon aufgestanden und ins Bad gegangen. Splitterfasernackt. Warum haben Männer so viel weniger Schamgefühl als Frauen?, dachte Dóra. Eine andere Erkenntnis verdrängte ihre Grübeleien – er war verdammt gut gebaut! Bei Licht betrachtet, war die Sache vielleicht gar nicht so dumm gewesen. Sie hörte, wie im Badezimmer das Wasser aus dem Hahn floss, und schloss wieder die Augen.
Dóra öffnete ihre Augen erst wieder, als sie spürte, wie Matthias unter die Bettdecke kroch. Er hielt ein Glas mit sprudelndem Wasser in der Hand und Dóra riss sich zusammen – sie richtete sich auf und trank das Glas in einem Zug aus. Dann ließ sie sich wieder ins Kissen fallen und wartete darauf, dass das mulmige Gefühl vorüberging. Nachdem sie ein paar Minuten so dagelegen hatte, spürte sie durch die Bettdecke ein Piksen in ihrer Schulter. Sie schlug die Augen auf.
»Hör mal.« Matthias drehte ihr den Kopf zu. »Was hältst du davon?«
»Wovon?«, fragte Dóra unschuldig. Es ging ihr jetzt schon viel besser.
»Was hältst du davon, deine Meinung zu überdenken, dass es ein Fehler war?« Er lächelte ihr zu. »Wenn du darauf bestehst, ziehe ich auch die schicken Schuhe an.«
Dóra wurde vom Brausen des fließenden Wassers aus der Dusche geweckt. Sie sprang auf wie eine Feder und schmiss sich hüpfend in ihre Klamotten. Sie fand die zweite Socke nicht und nahm die restlichen Sachen in die Hand. Dann rief sie ins Badezimmer, sie träfen sich beim Frühstück. Erleichtert schloss sie ihre Zimmertür hinter sich.
Nachdem Dóra lange und heiß geduscht hatte, fühlte sie sich körperlich und seelisch gestärkt. Bevor sie ihr Zimmer wieder verließ, holte sie ihr Handy und wählte die Nummer ihrer Freundin Laufey.
»Weißt du, wie spät es ist?«, antwortete Laufey verschlafen.
Dóra ging nicht darauf ein, zumal es kurz vor zehn war. »Mein Gott, rate mal, was passiert ist«, sagte sie atemlos.
»Äh, da du so aufgeregt klingst und zu einer derart unchristlichen Zeit anrufst, muss es etwas wahnsinnig Wichtiges sein.«
Darauf folgte ein Gähnen.
»Ich hab mit einem Mann geschlafen!« Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Laufey war bei der Neuigkeit offenbar aufgesprungen, denn als Dóra den Satz gerade beendet hatte, ertönte ein schreckliches Gepolter.
»Autsch! Nun sag schon – wer? Wer ist es?«
»Matthias, der Deutsche. Alles andere erzähle ich dir später; ich treffe ihn gleich zum Frühstück. Wir sind in einem Hotel.«
»In einem Hotel? Man darf dich wirklich nicht aus den Augen lassen!«
»Wir reden später miteinander – ich hab ein bisschen Bammel. Ich muss ihm irgendwie verständlich machen, dass das Ganze nur ein Zufall war und dass ich keine Beziehung möchte.«
Vom anderen Ende der Leitung erklang brüllendes Gelächter. »Hallo? Wo bist du denn in der letzten Zeit gewesen? Hast du zu viel Teletubbies geguckt? Die wenigsten Single-Männer in diesem Alter sind auf der Suche nach einer komplizierten Beziehung. Mach dir keine Gedanken, Süße.«
Dóra verabschiedete sich, ein wenig enttäuscht über diese Neuigkeit, die sie eigentlich hätte erfreuen sollen. Sie beeilte sich, in den Speisesaal zu kommen, nachdem sie ihr Bettzeug ein bisschen in Unordnung gebracht hatte. Das Hotelpersonal sollte sie schließlich nicht für ein Flittchen halten. Matthias saß an einem kleinen Tisch am Fenster des Speisesaals und nippte an seinem Kaffee. Dóra stellte fest, wie gut er aussah, was sie sich vorher nicht eingestanden hatte. Er hatte kantige, sehr
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