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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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Gunnar Sie über unsere Verbindung zu Harald aufgeklärt hat?« þórbjörn nickte und Dóra sprach weiter. »Wir würden gern Ihre Meinung über Harald hören. Außerdem können Sie uns vielleicht auch etwas über sein Studium, insbesondere über seine Forschungen, erzählen.«
    þórbjörn lachte auf. »Ich kann nicht behaupten, ihn gekannt zu haben. Ich freunde mich normalerweise nicht mit meinen Studenten an. Ich interessiere mich für ihre Studienfortschritte, aber an einem persönlichen Kontakt liegt mir nichts.«
    »Aber Sie haben sich doch bestimmt eine Meinung über Harald gebildet?«, fragte Dóra.
    »Selbstverständlich. Ich fand ihn in höchstem Grade merkwürdig – und damit meine ich nicht nur sein Äußeres. Ich ärgerte mich jedoch nie über ihn, im Gegensatz zu Gunnar, der Harald nur schwer ertragen konnte. Es machte mir Spaß, mit einem Studenten zu tun zu haben, der sich von den anderen abhob. Zudem war er fleißig und entschlossen. Andere Forderungen stelle ich nicht an meine Studenten.«
    Dóra hob die Augenbrauen. »Entschlossen? Laut Gunnar waren Haralds Forschungen nicht sehr zielstrebig.«
    þórbjörn schnaubte. »Gunnar ist von der alten Schule. Harald nicht. Gunnar möchte, dass sich Studenten an die eingeschlagene Richtung halten. Harald arbeitete eher so wie ich es tun würde – er fing an, beschäftigte sich aber auch mit den Nebenstraßen, wenn man so sagen darf. So sollte es auch sein. Man weiß nie, wohin es einen führen wird, und es dauert länger. Aber man kann dabei auf allerlei Unerwartetes stoßen.«
    »Harald hat das Thema seiner Masterarbeit also nicht geändert, wie Gunnar vermutet?«, fragte Matthias.
    »Er war weit davon entfernt«, antwortete þórbjörn. »Gunnar sitzt ständig auf glühenden Kohlen und ist davon überzeugt, dass alles schief geht. Wahrscheinlich fürchtete er, Harald würde sich als ewiger Student bei uns niederlassen. So was hat es schließlich schon gegeben.«
    »Wären Sie bereit, uns etwas über Haralds Forschungen zu erzählen?«, fragte Dóra. »Wir untersuchen, ob sein Interesse an Hexerei etwas mit dem Mord zu tun haben könnte.«
    Jetzt hob þórbjörn die Augenbrauen. »Meinen Sie das ernst?« Dóra und Matthias bejahten. »Tja, also, das würde mich wirklich überraschen. Die Geschichtswissenschaften sind nicht so aufregend, als dass jemand wegen ihnen einen Mord begehen würde«, sagte er. »Aber wie dem auch sei, Harald wollte die Hexenverfolgungen hier in Island mit denen auf dem europäischen Festland vergleichen. Wie Sie wissen, wurden hierzulande, im Gegensatz zu anderen Ländern, vor allem Männer wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Dies war also der Ausgangspunkt seiner Forschungen. Da sich Harald auf dem Gebiet der Inquisition in Europa gut auskannte, vertiefte er sich in isländische Quellen aus der besagten Zeit. Soweit ich es beurteilen kann, hatte er sich bereits einen guten Überblick verschafft, als er ermordet wurde.«
    »Und was ist mit den Nebenstraßen?«, fragte Matthias.
    þórbjörn überlegte. »Anfangs interessierte er sich brennend für den Bischof Jón Arason und die erste Druckerei, die dieser ins Land gebracht haben soll. Ich habe zunächst nicht genau verstanden, was das mit den Hexenverfolgungen zu tun hatte, habe Harald aber darin bestärkt, weiterzumachen. Er hat sich dann von diesem Thema abgewendet und sich Bischof Brynjólfur Sveinsson in Skálholt gewidmet. Das erschien mir schon plausibler.«
    »Stand der Bischof mit den Hexenverfolgungen in Verbindung?«, fragte Dóra.
    »Selbstverständlich«, antwortete þórbjörn. »Er galt allgemein als nachgiebig: Es ist überliefert, dass er den Tod einiger Skálholt-Schüler auf dem Scheiterhaufen verhinderte. Bei den Schülern hatte man ein Zauberbuch gefunden. Wenn man genau nachforscht, gerät das Bild von Bischof Brynjólfur allerdings etwas ins Wanken. Beispielsweise wirkte er nicht besänftigend auf seinen Vetter Pastor Páll von Selárdalur ein. Der beschuldigte Männer aufs Erbarmungsloseste der Hexerei. Sieben Männer kamen auf den Scheiterhaufen, weil sie unter Verdacht standen, Krankheiten auf dem Hof von Pastor Páll ausgelöst zu haben.«
    »Dieses Zauberbuch – hat sich Harald speziell dafür interessiert?«, fragte Matthias.
    þórbjörn schüttelte langsam den Kopf. »Nein, nicht dass ich wüsste. Es wird Skálholt-Schwarte genannt und Brynjólfur hat es vermutlich verschwinden lassen. Er schrieb allerdings die darin enthaltenen

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